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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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nur die mineralischen Pigmente wie Tonerde, Kreide, Kohle übrig blieben. Wenn sich in den Malereien also keine blauen Pigmente finden, können wir davon ausgehen, dass sie mindestens fünftausend Jahre alt sind.«
    » Die Pikten in Schottland haben sich mit Färberwaid angemalt, oder?«, fragte Henri.
    Der Einwurf des Malers schien den Professeur zu überraschen. » Ja, ja, das stimmt. Woher wissen Sie das?«
    » Eine der wenigen historischen Wahrheiten, die uns die Priester an meiner Schule beigebracht haben.«
    » Das stimmt doch gar nicht«, sagte Lucien. Gerade erst hatte Juliette ihnen von den Pikten erzählt.
    Der Professeur trank seinen Espresso aus und bedeutete Madame, ihm noch einen zu bringen. Er war ganz aufgeregt. » Das ist nicht die einzige interessante Entdeckung, die ich in Spanien gemacht habe. Möglicherweise gibt es verstörende Neuigkeiten, was diesen Farbenmann angeht. In Madrid habe ich den Prado besucht und mir alles genau angesehen. Es dauerte mehrere Tage. Auf einem Gemälde von Hieronymus Bosch entdeckte ich eine Gestalt unter Hunderten anderer Gestalten im Garten der Lüste, einer Darstellung der Hölle. Es war ein verkrüppelter, affenähnlicher Kerl mit dürren Gliedern. Er quälte eine junge Frau mit einem Messer. Und seine Hände und Füße waren blau.«
    » Aber Professeur…«, sagte Toulouse-Lautrec, » ich habe Boschs Bilder in den Uffizien in Florenz gesehen, als ich als kleiner Junge mit meiner Mutter dort war. Ich erinnere mich, dass sie voll verkrüppelter, gequälter Kreaturen sind. Ich hatte Albträume davon.«
    » Stimmt, aber diese Kreatur trug eine Tafel um den Hals, und darauf stand etwas in Sumerischer Keilschrift. Wie Sie wissen, bin ich– neben meinen anderen Forschungsgebieten– auch Nekrolinguist, wenn auch nur ein Amateur…«
    » Es bedeutet, dass er gern an Toten leckt«, erklärte Henri.
    » Es bedeutet, dass er tote Sprachen studiert«, korrigierte Lucien.
    » Bist du sicher?«
    » Ja«, sagte der Professeur.
    » Meine Bildung lässt zu wünschen übrig«, sagte Henri. » Verlogene Priester.«
    » Jedenfalls«, sagte der Professeur, » konnte ich die Keilschrift entziffern und übersetzen. Auf der Tafel stand: Farbenmann. Schon vor dreihundert Jahren gab es einen Farbenmann. Ich glaube, es war wohl so etwas wie eine Warnung von Bosch.«
    » Das war nicht ein Farbenmann, es war der Farbenmann«, sagte Lucien.
    » Ich verstehe nicht«, sagte der Professeur. » Dann wäre er ja…«
    Lucien hob eine Hand, um den Professeur zu unterbrechen. » Ich sagte doch, wir haben viel zu erzählen. Nicht ohne Grund sagte ich, Juliette hätte einen Mann erschossen, dem Sie vor knapp einer Stunde begegnet sind.«
    Henri und Lucien berichteten dem Professeur vom Farbenmann, von den Pikten, alles, was Juliette ihnen erzählt hatte, alles, was sie erlebt hatten. Und als sie endlich fertig waren und eingestanden, dass es nun an ihnen– zwei Malern– war, den Farbenmann zu bezwingen und die Muse zu befreien, sagte der Professeur: » Bei Foucaults baumelndem Pendel! Ich muss alles neu überdenken. Vernunft und Wissenschaft sind eine große Lüge, das Zeitalter der Aufklärung ein einziger Schwindel. Aberglaube und Magie beherrschen unser Leben. Wenn das stimmt, ist dann Descartes zu trauen? Woher wollen wir wissen, dass wir wirklich existieren, dass wir überhaupt leben?«
    » Eine Frage, die mich oft plagt«, sagte Toulouse-Lautrec. » Wenn Sie mich zur Rue des Moulins begleiten wollen… ich kenne dort ein paar Mädchen, die– wenn sie Sie auch nicht davon überzeugen können, dass Sie leben– doch zumindest Ihre Ängste, verblichen zu sein, lindern.«

27
    Der Fall der qualmenden Schuhe
    Z wei Männer mit breiten Hüten, einer sehr groß, einer nicht ganz so groß, standen bei den Droschken am östlichen Ende des Cimetière du Montparnasse und blickten zum Eingang der Katakomben auf der anderen Seite des Platzes hinüber. Einer trug eine schwarze Schiffslaterne mit einer Fresnel-Linse, die er möglichst unauffällig an seiner Seite hielt. Der größere der beiden hatte einen Leinwandköcher über seine Schulter gehängt, aus dem die Holzbeine einer Staffelei ragten. Beide trugen lange Mäntel. Sah man von den Laternen ab, machten sie sich nur insofern verdächtig, als sie bei den Droschken standen, zur Mittagszeit, ohne eine Droschke nehmen zu wollen, und zudem Rauch von den Schuhen des größeren Mannes aufstieg.
    » Hey, Ihre Schuhe qualmen«, sagte ein Kutscher, der an

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