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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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er eine Erinnerung kitzeln mochte, die in seinem vorderen Hirnlappen verborgen lag.
    » Niemals«, sagte Lucien. » Die Farbe ist noch nicht mal trocken. Sie werden ihre schmutzigen, kleinen Hände überall haben. Zurück, ihr Lümmel! Zurück!«
    » War sie in echt auch blau?«, fragte ein Junge.
    » Nein«, sagte Toulouse-Lautrec, » das ist nur ein künstlerischer Ausdruck des Lichts.«
    » Haben Sie ihre Möpse angefasst?«, fragte ein anderer Lümmel.
    » Leider nicht«, antwortete Henri, wobei er Lucien angrinste und mit den Augenbrauen wackelte, die Karikatur eines Operettenwüstlings.
    » Wieso haben Sie die nicht größer gemalt?«, fragte Nasenfinger.
    » Weil er sie gar nicht gemalt hat!«, blaffte Lucien. » Ich habe sie gemalt, du nervige, kleine Made. Und jetzt verpisst euch alle, wie ihr da seid! Haut ab! Nervensägen! Ungeziefer!« Lucien konnte seine Worte nicht mit Gesten untermauern, ohne sein Ende des Gemäldes loszulassen, doch warf er kräftig den Kopf hin und her und rollte mit den Augen.
    » Wenn Sie uns anblaffen, helfen wir Ihnen nicht«, sagte Nasenfinger.
    » Lucien«, sagte Henri, » es ist zwar nach wie vor verboten, Kinder zu erschlagen, aber wenn dir danach zumute ist, will ich gern eine Anwaltskanzlei um Hilfe bitten, die meine Familie bei derlei Gelegenheiten beauftragt. Mein Vater ist berüchtigt für seinen sorglosen Umgang mit Schusswaffen.«
    » Hat Madame Lessard sie deshalb umgebracht?«, fragte ein Lümmel, den Lucien aus unerfindlichem Grund im Stillen » Rumpelstielchen« nannte. » Weil Sie die Frau gemalt haben, statt Brot zu backen, wie Sie sollten?«
    » Jetzt reicht’s«, sagte Toulouse-Lautrec. » Ich werde ihnen den Hintern versohlen. Wollen wir das Bild an die Wand da lehnen?«
    Lucien nickte, und sie stellten das Gemälde vorsichtig ab. Henri hatte seinen Gehstock an der Rückseite der Leinwand versteckt, doch nun schwenkte er ihn mit großer Geste, schloss die Augen und zog am Messingknauf. Ein kollektives Aufstöhnen ertönte von den Lümmeln. Henri wagte einen Blick.
    » Was sagt man dazu?«, meinte er. Statt des erwarteten Schnapsglases schwenkte er die scharfe Klinge eines Kurzschwerts. » Ich bin froh, dass ich dir keinen Cognac zur Beruhigung angeboten habe, Lucien. En garde, ihr Lümmel!«
    Er stach mit dem Schwert nach den Jungen, die kreischend auseinanderstoben und in alle vier Ecken des Platzes verschwanden. Henri sah über seine Schulter und grinste Lucien an, der gar nicht anders konnte, als zurückzugrinsen.
    » Sie ist zu dürr«, hörten sie eine Stimme von dort, wo eben noch eine Horde Lausbuben gestanden hatte. Ein schmächtiger Mann, der heute einen breiten Strohhut mit hellbrauner Jacke und Hose trug, sein grauer Ziegenbart gestutzt und gekämmt, mit einem amüsierten Lächeln in den blauen Augen: Pierre-Auguste Renoir.
    » Monsieur Renoir«, sagte Toulouse-Lautrec. » Bonjour.« Er steckte das Schwert zurück in seinen Gehstock und reichte dem alten Maler die Hand.
    Renoir schüttelte sie und nickte Lucien ein bonjour zu. » Es geht dir also besser?«
    » Viel besser«, sagte Lucien.
    » Gut. Ich hatte gehört, du würdest an gebrochenem Herzen sterben.« Renoir sah sich das Bild noch einmal an. » Dieses dürre, blaue Ding?«
    » Ich war nur erschöpft«, sagte Lucien.
    » Nun, Rattenfänger, wie mir scheint, hast du doch etwas dazugelernt.«
    Lucien starrte seine Schuhe an und spürte, dass die Bemerkung des Meisters ihn erröten ließ.
    » Ich mag dicke Hintern«, erklärte Renoir dem kleinen Toulouse-Lautrec. » Die hier ist zu mager, aber dafür kann Lucien nichts.« Renoir trat einen Schritt von der Leinwand zurück, dann noch einen und noch einen, bis er auf der anderen Straßenseite stand, dann kam er zurück und beugte sich vor, bis seine Nase fast die Farbe berührte.
    Er blickte zu Lucien auf, der die Leinwand nach wie vor gegen den Wind abstützte. » Das ist sehr gut.«
    » Merci, Monsieur«, sagte Lucien.
    » Sehr, sehr gut«, sagte Renoir.
    » Ach, nicht doch«, sagte Lucien.
    » Ha!« Renoir schlug sich auf die Schenkel. » Es sind zwar keine rammelnden Hunde, aber es ist sehr gut.« Renoir schob seinen Hut in den Nacken und grinste. Ein Leuchten in den Augen verriet, dass ihm eine vergnügliche Erinnerung kam. » Weißt du noch, wie du mit mir dieses große Bild vom Moulin de la Galette über den Hügel getragen hast, Lucien?«
    » Na klar«, sagte Lucien und lächelte nun auch.
    » Es war eine wirklich große Leinwand«,

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