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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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Ich kann mich kaum erinnern.«
    » Es tut mir leid, wenn ich Euch an eine schmerzliche Zeit erinnere, Monsieur«, sagte Toulouse-Lautrec. » Ich hoffe nur, dass wir jüngeren Maler etwas von Eurer Erfahrung lernen können. Lucien wurde kürzlich erst das Herz gebrochen.«
    » Gar nicht«, sagte Lucien.
    » Deine Mutter hat dieses Mädchen doch nicht wirklich erschlagen, oder?«, fragte Renoir. » Das ist doch nur ein Gerücht, das auf dem Montmartre die Runde macht, nicht wahr?«
    » Ja, Monsieur, nur ein Gerücht. Es geht ihr gut. Wir sollten jetzt gehen. Bitte bestellen Sie Madame Renoir und den Kindern meine Grüße.«
    » Moment«, sagte Henri und klang verzweifelt. » Habt Ihr damals Farbe von einem merkwürdigen, kleinen Mann gekauft? Dunkel, fast affenartig? Verkrüppelt?«
    Plötzlich war Renoir von der süßen Melancholie, die ihn eben noch bedrückte, nichts mehr anzusehen.
    » O ja«, sagte er. » Ich kannte den Farbenmann.«

    Theo van Goghs Galerie lag im Schatten der Sacré-Cœur, der weißen, maurisch-märchenhaften Taj-Mahal-mäßigen Kirche, die der Staat auf dem Montmartre errichten ließ, als Wiedergutmachung, weil das Militär die Kommunarden (deren Anführer vom Montmartre stammten) nach dem Französisch-Preußischen Krieg allesamt hingerichtet hatte. Wie die andere architektonische Anomalie in Paris– der Eiffelturm– löste auch die Sacré-Cœur bei Besuchern der Stadt oftmals verdutzte Blicke aus. Da die Basilika jedoch von überall zu sehen war, bot sie einen guten Orientierungspunkt, der Reisenden den Weg zum Montmartre und Kunstkennern den Weg zur Galerie Boussod et Valadon wies, welche Theo van Gogh leitete. » Die finden Sie gleich hinter diesem weißen, moscheeähnlichen Ding da oben auf dem Hügel«, hieß es dann.
    » Warst du je versucht, Sacré-Cœur zu malen?«, fragte Henri Lucien, während sie den blauen Akt so ausrichteten, dass er durch Theos Tür passte. Die Galerie besaß ein großes, rot umrahmtes Schaufenster mit breiter, roter Markise, an der KUNSTHANDLUNG geschrieben stand.
    » Meinst du, das Ding anmalen oder ein Bild davon malen?«
    » Ein Bild davon malen.«
    » Nein.«
    » Ich auch nicht.«
    » Meine Mutter sagt, in so einer eitlen Dirne von einer Kirche will der liebe Gott nicht mal begraben sein.«
    » Moment mal, Lucien, möglicherweise hatte ich gerade eine religiöse Eingebung«, sagte Toulouse-Lautrec.
    Sie setzten die Leinwand ab, damit Lucien die Tür öffnen konnte.
    Theo van Gogh, dreiunddreißig Jahre alt, schlank, rotblond, mit makellos gestutztem Bart, in einem Hahnentritt-Anzug mit schwarzer Krawatte, saß an seinem Schreibtisch im hinteren Teil der Galerie.Als er die Tür hörte, stand er auf und eilte nach vorn, um zu helfen.
    » Ojemine! Henri, ist das von dir?«, fragte Theo und hielt ihnen die Tür auf, während sie das Gemälde hereinwuchteten. Sein Französisch hatte einen leicht holländischen Akzent.
    » Von Lucien«, sagte Henri.
    » Bonjour, Monsieur van Gogh«, sagte Lucien mit einem Nicken und manövrierte das Bild mitten in die Galerie. Lucien kannte Theo, hatte über ihn schon einige Bilder verkauft, blieb jedoch aus Respekt vor seiner Stellung stets förmlich. Der jüngere van Gogh sah schmaler aus als bei ihrer letzten Begegnung, betriebsam, fast nervös, doch nicht gesund. Blass. Erschöpft.
    » Soll ich eine Staffelei holen?«, fragte Theo. » Ich weiß gar nicht, ob ich eine habe, die groß genug wäre.«
    » Es kann auch auf dem Boden stehen. Wir brauchen nur eine Wand zum Anlehnen. Ich fürchte, es ist noch nicht ganz trocken«, sagte Lucien.
    » Und ihr habt es unverpackt hierhergeschafft? Du meine Güte«, sagte Theo. Er eilte in den hinteren Teil der Galerie, griff sich den Stuhl, auf dem er gesessen hatte, und brachte ihn Lucien. » Hier könnt ihr die Leinwand anlehnen.«
    Sämtliche Wände der Galerie, die das gesamte Erdgeschoss des vierstöckigen Hauses einnahm, waren vom Boden bis zur Decke mit Gemälden, Drucken und Zeichnungen behängt. Lucien erkannte Bilder von Toulouse-Lautrec und Pissarro, ebenso von Gauguin, Bernard und Vuillard, Zeichnungen von Steinlen und Willette, dem bekanntesten Karikaturisten des Montmartre, den einen oder anderen japanischen Druck von Hokusai oder Hiroshiroge und natürlich viele, viele Bilder von Theos Bruder Vincent.
    Als das Gemälde stand, wo es stehen sollte, trat Theo einen Schritt zurück und sah es sich an.
    » Es ist noch nicht fertig, ich…« Lucien begann zu erklären, dass er

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