Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
Richtung.
Kaum bin ich fünf Schritte durchs Unterholz gehastet, strampeln meine Beine plötzlich in der Luft. Ich will schreien, aber irgendwas drückt mir den Hals zu. Während ich herumzapple, stürzt ein Riese mit mir zurück auf die Straße. Er rammt die beiden Wächter, die uns gerade entgegenkommen und die – genau wie ich – total überrascht sind. Sie fallen zu Boden, während der Riese mit mir zu den Luftschiffen rennt.
Im Mondlicht erkenne ich, dass es Rido ist. Er hat mich am Kragen meines Overalls gepackt und einfach hochgehoben, eine Transportart, die ich nicht weiterempfehlen kann. Und auch wenn ich jetzt aufhören würde zu zappeln, weil Rido ja nicht mein Gegner, sondern mein Freund ist, so tue ich es nicht. Ich strample noch wilder, weil ich keine Luft mehr bekomme. Dieser Tollpatsch hält mich so, dass mir der Hals abgeschnürt wird und ich keine Luft bekomme. Leider bemerkt er es nicht einmal.
Auf einmal hallen Schüsse durch die Nacht. Ich höre es metallisch plingen, als donnerten die Patronen gegen Eisen. Es sind Schüsse, die auf seinen Körper treffen! Vor Schreck rühre ich nicht mehr.
Rido wirbelt mich herum und presst mich an seine Brust.
Als Erstes japse ich nach Luft. Dann merke ich, dass mein Kopf glühend rot anläuft, nicht wegen der Luftnot, sondern weil ich mich abgrundtief schäme. Rido trägt mich wie ein kleines Kind, ich hänge an seiner Brust und habe keine Chance, mich zu rühren. Seine Arme sind wie die Gitterstäbe eines Gefängnisses, sie lassen mich nicht frei.
Nun, du kannst mir glauben, dass es mir äußerst schwerfällt, diese Zeilen aufzuschreiben. Ich überlege gerade, ob ich den Teil nicht einfach überspringen sollte oder dir eine verkürzte Fassung gebe, doch dann denke ich an die vielen E-Mails und Beschwerden, die von euch kommen würden. Ich muss dir daher klarmachen, wie unfair Ridos Verhalten ist. Er behandelt mich mal wieder wie ein kleines Kind – und du musst zugeben, dass ich das schon lange nicht mehr bin. Es ist das allerletzte Mal, dass ich ihn „meinen Freund“ nennen kann, und jetzt ist die Zeit gekommen, sich von ihm zu trennen.
Sobald er mich loslässt, heißt das genau.
Er läuft im Zickzack auf die Straße, hüpft über einen Holzstapel, ändert so plötzlich seine Richtung, dass nicht nur unsere Verfolger, die inzwischen auf eine beachtliche Anzahl dunkler Schatten herangewachsen sind, verwirrt sind, sondern auch mir vor Schreck ein Schrei entweicht. Mir wird schlecht, erst recht, als er auf eine Mauer dunkler Männergestalten mit Gewehrläufen zurennt. Ich versuche mich gerade mit der letzten Sekunde meines Lebens abzufinden, da zischt Rido mir ins Ohr:
„Halt dich fest!“
Wie ich das allerdings machen soll, ist mir ein Rätsel, ich fühle weder meine Arme noch Beine. Rido hat mich so fest gepackt, dass sie bei der Flucht inzwischen blutleer sein müssen. Außerdem: Wozu sollte ich mich festhalten, wenn er mich im Klammergriff hält? Und woran?
Eine Zehntelsekunde später weiß ich es.
Rido wirft sich der breiten, Waffen tragenden Schatten-Masse entgegen – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Er stößt sich ab, dreht in der Luft eine Pirouette und fliegt quer auf die Männer-Wand zu. Wie eine Dampfwalze rollt er über sie hinweg. Mich hat er im Flug einfach am Kragen gepackt und von sich weggeschleudert, sodass sich seine Dampfwalze um 1,65 Meter erweitert. Und bevor ich auch nur schreien kann, walze ich ebenfalls ein paar Schießwaffen tragende Leute um. Dummerweise muss er einem noch seine Waffe während des Fluges abnehmen und einem anderen einen Kinnhaken verpassen. Für mich hat das zur Folge, dass ich alleine weiterwirble, da ich mich nicht an Rido festgehalten habe, wie er mir ja höflicherweise empfohlen hatte. Wie ein Gummiball titsche ich drei Mal auf, ehe ich auf dem Rücken und mit weit von mir gestreckten Gliedern liegen bleibe. Ich stöhne mindestens so laut wie die platt gewalzten Männer und denke nicht daran, meinen zerschundenen Körper aufzuraffen. Alle Knochen müssen gebrochen sein – bis hin zu den Zehen. Ich fühle mich niedergemetzelt und bei lebendigem Leib zerrissen. Und das von meinem Freund Rido, der ja nicht mehr mein Freund ist.(5)
Jetzt weiß ich aber eines ganz sicher: Sollte Rido noch einmal sagen: „Halt dich fest!“ , dann werde ich es tun, ohne nachzudenken, ohne zu fragen. Sofort und auf der Stelle, selbst wenn ich nur ein winziges Haar zur Verfügung hätte.
Rido gönnt mir
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