Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
die möglichst frei von Menschen ist.“ Er schaltet den Scanner ein. Neben den Koordinaten erscheint die Anzahl der lebenden Wesen in einem Radius von mehreren Kilometern.
„Aber … das ist niemals Labaido!“ Ich recke meinen Kopf, um durch die Frontscheibe mehr zu erkennen. Die Nacht ist hier schon längst vorbei, die Welt liegt grau und riesig wie ein runder Matschklumpen unter uns. Ich sehe über eine Ebene, die nicht im Entferntesten etwas mit der Welt zu tun hat, die ich einmal gekannt habe. „Du musst dich täuschen!“
Rido tippt auf die Anzeige des Scanners. „Computer täuschen sich nicht.“
Den Spott in seiner Stimme hätte er weglassen können. Ich lese den Namen vier Mal und glaube es trotzdem nicht. Labaido ist die Weltstadt, eine Stadt nur aus Hochhäusern, Palästen und Herrschaftshäusern bestehend. Es ist die Welt der Elite, der besten Wissenschaftler und natürlich der Regierung. Sicher, sie hat seit etlichen Perioden keine Wälder und Pflanzen mehr, nicht einmal Käfer, Spinnen oder Fliegen haben in den trockenen Ecken der Stadt überleben können – aber jetzt gibt es gar nichts mehr von alledem. Jetzt ist die Riesen-Weltstadt einfach platt gewalzt. Keine Häuser ragen mehr in die Höhe, keine Türme verdecken die Sicht, nicht ein Gebäude steht noch. Es ist der Rest einer verlorenen Welt.
Rido zeigt stumm nach vorne. Ob er mein Entsetzen versteht, weiß ich nicht, ich habe aber auch keine Lust, darüber nachzudenken. Denn es ist ebenso unglaublich wie verrückt: Mitten im Meer der Verwüstung steht ein riesiges Gebäude. Es hebt sich von der Ebene ab wie ein gespenstischer silberner Backenzahn, wie eine übergroße Krone, die ein Riese abgelegt hat. Ein Gebäude, zusammengesetzt aus vielen Häusern, gewachsen aus einem Kern, ineinander verschlungen und festgekrallt. Es sieht unnahbar und abstoßend aus. Deutlich zeigt es, wie fehl am Platz man als kleiner Mensch in dieser Welt ist.
Rido scheint über das Gebäude hinwegfliegen zu wollen, doch plötzlich reißt er den Steuerknüppel zur Seite und der Superjäger dreht scharf nach rechts ab. Ich purzle gegen die Wand und kralle mich mit Mühe am Griff der Außentür fest. Rido hat sie doch verrammelt, oder?
„Musst du solche Kurven fliegen?“, schreie ich.
In diesem Augenblick schießt ein strahlender Blitz an uns vorbei. Ein zweiter folgt und Rido reißt den Knüppel erneut herum, sodass er an uns vorbeizischt.
„Sie schießen auf uns!“ Er sieht mich nur flüchtig an. „Weißt du nicht, dass man sich auf Flügen anschnallt? Das gibt es sogar bei den Autos auf der Erde!“
Also, das ist doch wieder die Höhe! Wann bin ich denn zuletzt geflogen?! Und als die Schlangenmenschen mich im Auto zum Transfer-Tunnel gebracht haben, war ich gefesselt und geknebelt und sicher haben die mich nicht angeschnallt. Wir hatten auf der Erde auch gar kein Geld für ein Auto, wie soll ich dann, bitte schön, das schon wieder wissen?!
Rido verlässt den Gefahrenbereich und augenblicklich hört der Beschuss auf. Er nickt zufrieden. „1523“, sagt er und glaubt, ich wüsste genau, was er damit meint.
„Was, 1523?“, frage ich genervt zurück.
Mit Mühe erreiche ich meinen Sitz, meine Muskeln und Glieder scheinen erneut durcheinandergerüttelt worden zu sein. Inzwischen kann ich gar nicht mehr so genau sagen, wo es mir am meisten wehtut. Bis ich zu dem Schluss komme, dass mir alles schmerzt, einschließlich meiner Ohrläppchen und dem Bauchnabel. Schnell gurte ich mich fest.
„1523 Menschen sind in dem Gebäude. Mehr muss ich nicht wissen.“
„Und dafür bringst du uns in Gefahr?“, brause ich auf.
„Es gab zu keiner Zeit irgendeine Bedrohung. Die Raketen dienten nur der Abschreckung. Wenn sie uns erwischen wollten, hätten sie das getan.“
„Wie beruhigend!“, murmele ich.
Rido fliegt einen Bogen um die Festung der Regierung. Sie ist gigantisch, ich kann mir kaum vorstellen, dass mein Vater dort sitzt und über all das seine Hand hält. Warum lässt er zu, dass der Rest der Welten zerstört wird, warum hilft er dem Volk nicht, aus der Not herauszukommen?
Das sind Fragen, die ich ihm sofort stellen will. Ich werde ihm von Toras Tal erzählen und ihm beschreiben, wie schön es ist, wie toll die Menschen miteinander klarkommen und dass sie sich sogar zweihundert Pferde teilen. Wer weiß, vielleicht wird er anordnen, dass man wieder Bäume und Sträucher pflanzt. Vielleicht werden die Häuser wieder aus Stein gebaut und nicht mehr
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