Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
Kristall!“ Ridos Stimme ist rau. Er schlägt eine Spiegelfolie fort und lässt den Friedenskristall auf den Tisch gleiten.
Der Stein leuchtet blutrot – in der Farbe des Todes, wie mir scheint. Trotzdem ist mein Verlangen, meinen kleinen Freund noch einmal zu berühren, sehr groß.
„Na also!“, sagt Hatar’ali zufrieden. „Und binde mir keine Märchen auf, Nadi, dass die Schwarze Seite ihn hätte! Lächerlich.“
„Mali’tora hat eine wertlose Kopie“, sagt Rido.
Er sieht mich noch immer nicht an und ich bin auch froh darüber. Ich versuche krampfhaft, meine Tränen zurückzuhalten und nicht vor Schmerz auf den Boden zu sinken. Der Kloß in meinem Hals ist so dick, dass er jegliche Luftzufuhr in meinen Körper verweigert, ich kann nicht einmal schreien. Mein Freund hat mich verraten! Wie konnte ich ihm nur vertrauen?
„Sicherheitsdienst!“, sagt Hatar’ali barsch. „Bringt sie fort!“
Willenlos gehe ich zwischen zwei bewaffneten Männern aus dem Büro. Auch Rido wird abgeführt, allerdings von sechs Beamten mit diesen seltsamen Waffen. Aber das ist mir jetzt schnurzpiepegal. Das ist alles zu viel für mich, ich möchte mich nur noch irgendwo verkriechen und darauf warten, dass es mit mir zu Ende geht. Mein eigener Vater lässt mich abführen! Die Lava in meinem Inneren kocht nicht mehr, sie ist so stark abgekühlt, dass sie zu Eis gefroren ist. Alles fühlt sich kalt an, selbst mein Blut weigert sich, weiterzufließen, ich spüre meine Beine nicht mehr und breche über einem Bett zusammen, das man mir zugewiesen hat.
Nach einer Ewigkeit in dieser eisigen Kälte und verlorenen Hoffnung versuche ich, meine Glieder voneinander zu lösen. Es ist nicht leicht, denn von Weinkrämpfen geschüttelt, hatte ich mich zu einem Rollmops zusammengelegt.
Mein Herz schmerzt, es fühlt sich an, als wäre irgendetwas darin zerrissen. Mein Kopf ist so leer, ausgepumpt wie ein Wassertank, aus dem man den letzten Tropfen gekratzt hat. Alle Gedanken, die um Rido kreisen, verbanne ich in einen Topf aus Feuer, jede einzelne Erinnerung muss darin lodern, bis sie zu Asche zerfällt. Er ist gestorben, für mich gibt es ihn nicht mehr!
Ohne viel Antrieb strecke ich meine Glieder und schaue mich um. Man hat mir ein Zimmer gegeben, ohne Fenster, mit nackten Wänden, einem Stuhl und einem Bett. Ich denke an Tora, er hat mich trotz meiner Wut auf ihn immerhin wie einen Menschen behandelt. Aber mein Vater? Ich bin ihm lästig, das spüre ich immer mehr. Wenn es nach ihm ginge, hätte ich noch Jahrhunderte auf der Erde verbringen können.
Was jetzt? Soll ich aufgeben? Ich fühle mich so elend, so hilflos wie lange nicht mehr. Toras letzter Blick lockt wieder die Tränen in mir hoch. Ich dränge sie mit Mühe zurück. Benar ist vielleicht der Einzige, der noch zu mir steht. Doch Tora muss glauben, dass Benar mir das Geheimnis der Schutzmauer verraten hat. Falls die beiden noch leben und nicht in irgendeinem schmutzigen Keller hingerichtet wurden …
Alles ist vermurkst, wie schon so oft. Und doch habe ich mich immer wieder aus dem Schlamassel hinausgeschlängelt.
Aufgeben? Das passt doch gar nicht zu mir! Gibst du auf, wenn deine Schwester die größere Portion Wackelpudding bekommen hat? Nein! Du wartest auf den Moment, wo du ihr eins auswischen kannst, wo du zurückschlägst und dein Recht forderst.
Plötzlich weiß ich, was ich tun muss. Ich muss mich gegen meinen Vater stellen!
Zuerst laufe ich im Eifer meiner neuen Erkenntnis bis zur Tür. Das ist nicht sehr weit und so kann sich das Gefühl, ein neues Ziel vor Augen zu haben, noch gar nicht so richtig ausbreiten. Denn die Tür ist verschlossen.
Also gehe ich zurück. Der Stuhl ist unbequem, ich setze mich aufs Bett, schlinge meine Arme um die angezogenen Beine und verharre so. Stundenlang. Meine Gedanken ziehen vergnüglich schnatternd ihre Bahnen in meinem Kopf, während ich stumm dasitze.
Irgendwann wird die Tür geöffnet und Salei’halas betritt den Raum.
„Mutter!“, rufe ich überrascht aus und vergesse meine ganze Wut. Ich springe auf und renne auf sie zu. Sie streckt beide Hände nach vorn, um meinen Sprung auf sie abzuwehren. Und dann fällt es mir ein: So etwas haben wir noch nie getan, wir haben uns nie umarmt, sondern sind immer auf Abstand geblieben. Was habe ich auf der Erde nicht alles verlernt …
„Nadi!“, ruft die Frau ebenfalls freudig aus.
Salei’halas ist schön, so schön wie früher. Ihre Augen sind lebendig, sie hat ein
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