Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
wie meine.
Die Stadt ist wie ausgestorben. Ich vermute, dass die Menschen geflohen sind oder sich verkrochen haben, aus Angst, von den Python-Kämpfern gefangen genommen zu werden. Nur in der Burg glimmt Licht, es funkelt wie falsche Sterne am Himmel.
„Entweder haben die Bewohner sich wirklich gut versteckt“, flüstert Rido mir ins Ohr, „oder sie sind fort. Wir müssen in höchster Alarmbereitschaft sein.“
Wir huschen an den Häusern vorbei und erreichen die Burg ohne weitere Zwischenfälle. Dort stehen zwei Wachposten, die gelangweilt in der Gegend herumgucken. Aus ihrer Unterhaltung hören wir heraus, dass sie um Mitternacht abgelöst werden.
Wir ziehen uns ein Stück zurück, damit Rido mir seinen Plan erklären kann.
„Du schleichst dich zur anderen Seite und wartest, bis die Wachablösung vorbei ist. Auf mein Zeichen hin springst du vor und überwältigst die Wache auf deiner Seite.“
Ich versuche, in Ridos gelben Augen zu schauen. Meint er wirklich, ich könne einen der Wächter ganz allein erledigen?
„Das Überraschungsmoment ist auf unserer Seite“, fügt er hinzu.
Das Überraschungsmoment, schon wieder auf der Matte ganz unten zu liegen, war auch nach vier Wochen intensiven Trainings bei den Schlangenmenschen auf meiner Seite. Ich zweifle, dass ich einen von ihnen erledigen kann, aber die einzige Hoffnung ist, dass Rido mir rechtzeitig beisteht.
Wir trennen uns. Er schleicht sich zu dem Platz zurück, von wo aus wir vorhin gelauscht haben. Nur kurz keimt Verwunderung in mir auf, warum er, der sich so leise und geschmeidig wie ein Wolf bewegen kann, nicht den längeren und viel schwierigeren Part übernimmt. Aber vielleicht glaubt er auch, dass ich Vorteile durch meine Größe habe. Ich kann mich auch hinter kleinsten Gegenständen verstecken, da hat der Riese schlechte Karten.
Ich warte so lange, bis die Wachablösung stattgefunden hat. Langsam krieche ich aus dem Schatten, nutze jedes Versteck, schiebe die Stöckchen vorsichtig beiseite und nähere mich dem linken Wächter im Schneckentempo. Aber es muss sein, sie sind noch frisch und ausgeruht und wenn ich unvorsichtig bin, entdecken sie mich zu früh.
„He! Da ist doch was!“, ruft der Wächter auf meiner Seite.
Mir rutscht das Herz in die Hose. Knapp neben mir war ein Geräusch zu hören, als wäre ein Kieselstein auf und ab gehüpft! Aber ich war das nicht, ich hab mich nicht einmal bewegt!
Die zweite Wache stellt sich neben die erste. Beide schauen nun in meine Richtung und ich versuche mich so klein zu machen, wie es nur eben geht. Ich wünsche mir ein Schneckenhaus herbei, hätte vor Zorn heulen können. Noch nicht einmal den kleinsten Auftrag bekomme ich auf die Reihe!
Hinter den beiden Wächtern schnellt ein Schatten hervor, wie ein Tier auf Beutefang. Dann geht alles so fix, dass ich es kaum mitbekomme: Die Köpfe der beiden Männer knallen zusammen, aber bevor sie zu Boden gleiten, lässt Rido sie hinter einem Gebüsch an der Steinmauer verschwinden.
„Nadine!“, ruft er leise zu mir herüber.
Ich starre ihn nur an. Wieso habe ich das merkwürdige Gefühl, bei diesem Kampf nicht so richtig dabei gewesen zu sein?
„Ich hab den Krach nicht gemacht“, flüstere ich entschuldigend, als ich bei ihm bin. „Ehrlich! Als das Geräusch kam, war ich …“
„Ich hab den Stein geworfen“, sagt Rido.
Ich gucke ihn an, als habe er nicht mehr alle Tassen im Schrank. „Was heißt das?“, fauche ich. „Du hast mich absichtlich dahin geschickt, damit sie mich hören?(1) Hast du dich vielleicht verrechnet, was meine Anschleichkünste betrifft?!“
„Das tut nichts zur Sache. Wir müssen weiter, bevor man sie entdeckt.“
„Vielleicht kannst du mich das nächste Mal vorwarnen?“, knurre ich. „Wie viele Schlangenmenschen gibt es überhaupt?“
„53. Jetzt nur noch 51.“
„Das konnte ich mir selbst schon ausrechnen“, antworte ich patzig, dann etwas besorgter: „Echt, so viele?“
Zu dumm. Dann müssen wir noch 51 Menschen auf die gleiche Weise erledigen. Das ist ein Haufen Arbeit. Werden wir immer so viel Glück haben? Oder schickt Rido mich jedes Mal vor, damit er aus dem Schatten heraus die Schlangenmenschen überwältigen kann? Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich will.
Wir öffnen die schwere Eisentür, die früher immer offen stand. Das Foyer ist sehr dunkel, nur irgendwo im Hof scheint Licht durch eines der schmalen Fenster herein, zu wenig, als dass es mir ausreichend Helligkeit gäbe. Rido
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