Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
dagegen sieht mit seinen Wolfsaugen alles genau so wie am Tag.
Ich renne gegen eine Ritterrüstung, die zur Zierde an der Seite steht. Es scheppert und irgendetwas fällt zu Boden.
„Sei still!“, mahnt mich Rido.
Ich schnaufe wütend. „Halt dir mal die Hand vor die Augen, dann weißt du, wie viel ich grad sehe!“
Er packt mich am Kragen. „Okay, du gehst vor.“
Das habe ich nun davon. Rido stößt mich einfach zur Seite, bevor ich irgendwo dagegen laufe, und einmal hebt er mich über etwas drüber. Einfach so, wie ein … na, du weißt schon. Allerdings gewöhnen sich meine Augen immer mehr an die Dunkelheit, sodass seine Hilfe bald überflüssig wird. Rido öffnet eine Tür, aus der es modrig und kalt zu uns heraufweht.
„Weiß nicht, ob ich da runtergehen will“, flüstere ich.
„In den Kellern liegen gewöhnlich die Kerker“, antwortet er ohne einen Hauch von Mitgefühl.
„Eben deshalb!“, bestärke ich mein Zögern.
Ich schlüpfe schließlich doch durch den Spalt hindurch und wäre beinahe die Wendeltreppe hinabgefallen, als sich die Tür hinter uns schließt.
„Und für gewöhnlich halten sich hier auch wieder Wachen auf. Also Vorsicht!“, warnt mich der Riese.
Im Stockdunkeln taste ich nach einen Handlauf der Wendeltreppe, aber meine Hand greift ins Leere, er scheint verschwunden zu sein. Aus der Tiefe gähnt es ekelig zu mir hoch.
Wie ein Gürtel, der immer enger gezogen wird, legt sich die Dunkelheit um meine Brust. Ich halte die Luft an, aber das Gefühl der Beklemmung steigt stärker in mir auf. In dem schwarzen Nichts vor mir scheinen Geister zu schweben, die nach uns greifen wollen mit langen, knöchrigen Fingern und klappernden Gelenken. Sie lachen verzerrt, wollen etwas sagen, wie durch eine Wand hindurch. Wir holen dich , höre ich ihre Worte, von fast unsichtbaren Wesen immer wieder geschrien, von körperlosen, die es nicht gibt.
Als ich die Stimmen ganz deutlich höre, schluchze ich auf und wirble herum. Rido steht direkt hinter mir, ich kralle mich an seinem T-Shirt fest und drücke meinen Kopf an seine Brust.
„Was hast du?“, fragt er, unfähig, etwas zu tun. „Du zitterst ja!“
Ich schniefe. „Tut … tut mir leid … ich hab plötzlich solche Angst!“
Hab ich mir das nur eingebildet? Die Geister, die Stimmen, die um uns herumwirbeln, hat Rido sie nicht gehört? Ist es meine Angst, die mir etwas vorgaukelt, kindische Fantasien? Wir holen dich , rufen sie, als sei es schon längst abgesprochen, als hätten wir keine Wahl – es sei denn, wir kehren um.
Mit einem Mal weiß ich, dass etwas Schreckliches passieren wird, wenn wir diese Stufen hinabsteigen. Ist das eine Vorahnung?
Ich schlinge meine Arme um Ridos Körper und presse mein Gesicht tiefer an seine Brust. „Wir dürfen da nicht runter!“, hauche ich verzweifelt.
Rido tätschelt unbeholfen meinen Rücken. „Woher kommt deine Angst?“, fragt er besorgt. „Ich rieche sie ganz deutlich!“
„Keine Ahnung!“
Ich versuche, ihn zurück zur Tür zu drängeln, aber er rührt sich keinen Millimeter. Und in meinem Kopf höre ich wieder diese Stimmen. Wir holen dich!
Wenn wir dort hinuntergehen, wird etwas passieren, wird vielleicht sogar jemand sterben. Bin ich es, die dran glauben muss, ist das nicht weiter schlimm, dann kann Rido wieder die Rolle des ersten Hüters einnehmen. Aber wenn ich mir vorstelle, wie es Rido an den Kragen geht, fängt mein Verstand an, Purzelbäume zu schlagen und in meinem Bauch springt die Angst wie ein Pingpong-Ball hin und her.
„Ich hab Angst … um dich!“, schluchze ich.
Er streicht mir sanft durchs Haar. Die Pingpong-Bälle werden zu Schmetterlingen, die wild in meinem Magen herumflitzen. „Mir wird nichts passieren“, sagt er leise.
Ich höre sein Herz schlagen, meines rast wie ein Kugelblitz umher. Er darf nicht sterben! Ich hab mich so sehr in diese Vorstellung verbissen, dass ich kaum noch klar denken kann.
So stehen wir eng umschlungen im Kellereingang einer fremden Burg, in der unsere Feinde lauern, die uns den Kopf abreißen, würden sie uns so sehen. Ich will mich gar nicht mehr von Rido trennen.
Als er zärtlich über meine Wangen streicht, höre ich, wie auch sein Herz immer schneller schlägt. Ihm fehlen scheinbar die Worte, ihm, der sonst immer alles besser weiß und vor nichts zurückschreckt.
Schließlich löst er meine verkrampften Hände von seinem Körper, behält aber meine Linke in seiner Riesenpranke. „Wir müssen weiter, Nadine! Ich
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