Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
sie dann auf?“, platzt es aus mir raus.
Rido reißt panisch beide Augen auf und knallt mit dem Kopf gegen den Federbaumstamm. Durch die Erschütterung rieseln die winzigen Samen auf uns herab wie feiner Staub.
Ich patsche meine Hände auf den Mund. Wie kann ich nur so gefühllos sein?!
„Ich esse keine Schafe!“, sagt er mit gerunzelter Stirn. Er schüttelt sich, um den Samen von seinem Kopf zu schleudern.
„Aber du bist doch ein Wolf!“ Ich krieg mich noch immer nicht ein.
Er schließt die Augen wieder, so, als wäre nichts gewesen. „Du solltest dich jetzt ausruhen.“
Oh, wie konnte ich nur so dumm sein und seine Gedanken derart ins Lächerliche ziehen! Wenn ich mich so kindisch verhalte, wird er nicht mehr lange bei mir bleiben und ich muss mir die Fische selbst aus dem Bach angeln.
Ich verziehe angewidert die Nase. „T’schuldigung“, sage ich kleinlaut.
Dann denke ich darüber nach, wie es wohl als Schafzüchter sein könnte, zum Beispiel hier in Toras Tal. Der Natur so stark verbunden zu sein, ist hier gut möglich.
Je länger ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir die Idee. Ich sehe mich schon niedlichen, kleinen Schafen hinterherlaufen, über Wiesen und Bäche hüpfen, bis hinauf in die Berge, wo es kein Gras mehr gibt.
Immerhin bin ich im Morgengrauen ausgeruht, weil ich meinen Geist nicht ständig mit irgendwelchen Ideen über eine Blitz-Rettung von Toras Familie gequält habe.
„Schafe Züchten finde ich auch toll“, sage ich, bevor wir weitermarschieren.
Der nächste Tag wird wieder sehr anstrengend. Wir müssen aufpassen, aus der Ferne nicht entdeckt zu werden, denn manchmal sehe ich Häuser zwischen den Bluteichen auftauchen. Oft gehen wir einen Umweg, bis wir schließlich stoppen und uns im Gras ausruhen.
„Es ist besser, wenn wir nachts weitergehen“, schlägt Rido vor.
„Aber die Schlangenmenschen können auch nachts sehr gut sehen“, entgegne ich grimmig.
„Nicht so gut wie ich.“ Rido sieht mich erwartungsvoll an. „Was glaubst du, in der Stadt zu erreichen?“
Da muss ich leider mit den Schultern zucken. „Ich weiß, jetzt wirst du sagen: Typisch Kind, keinen richtigen Plan! Und du hast Recht. Aber ich will irgendetwas tun, ich will helfen. Vielleicht kann ich versuchen, in die Burg einzudringen und die Gefangenen zu befreien.“
„Falls es noch welche gibt …“
Ich hebe überrascht den Kopf.
Ridos Gesicht ist sehr ernst. „Krista’roff gibt sich nicht mit überflüssigem Ballast ab. Er macht ziemlich schnell kurzen Prozess.“
Das gibt mir zu denken. „Aber er hat sie vielleicht am Leben gelassen, damit er mit Tora handeln kann? Sicher will er aus dem Tal raus!“
„Die Chance stünde bei 62,152 Prozent …“
„Na also!“ Ich lächle meinen Riesenfreund an. „Dann besteht doch noch Hoffnung.“
„Bei jedem anderen Verbrecher, aber nicht bei Krista’roff!“
„Kannst du mir deine Vermutungen vielleicht ein bisschen schonender beibringen?“, fauche ich.
Mir ist sonnenklar, dass der Anführer der Python-Kämpfer unberechenbar ist, also muss alles, was wir anpacken, auf Anhieb gelingen – oder wir können unser Grab schon mal selber schaufeln gehen.
„Rido“, sage ich langsam, „darf ich dich daran erinnern, dass du nicht zusehen willst, wie ich von den Schlangenmenschen abgeschlachtet werde?“
Mein großer Freund lacht leise. „Genau. Ich werde auch nicht dabei sein.“
Ich schweige. Damit habe ich rechnen müssen, er hat es mir selbst gesagt. Er ist ein freier Mann und kann gehen, wohin er will. Na ja, beinahe jedenfalls, wenn man mal von der durchsichtigen Schutzmauer absehen will.
„Ich werde es nämlich verhindern, sobald sie es versuchen. Ich bin besser als sie, mich kann niemand besiegen. Niemand kann mich töten.“
Ich atme erleichtert aus. „Du bleibst bei mir?“
„Ja.“
Vor Freude springe ich auf und umarme ihn. „Danke!“, rufe ich – und rutsche schnell wieder zu Boden. Manchmal sollte ich solche Gefühlsausbrüche wirklich vermeiden. Ich glaube zu erkennen, wie Rido rot wird.
Kapitel 19
oder
Das Wolfsgeheul und was ich sonst noch alles verliere
Die Nacht ist klar und obwohl der Mond nur in einer Sichel am Himmel steht, ist es trotzdem noch viel zu hell. Rido beschmiert mein Gesicht mit feuchter Erde, die Hände reibe ich mir selbst ein. Er braucht diese eklige Masse nicht, seine Haut scheint sich der Nacht bedingungslos anzupassen. Selbst seine gelben Augen leuchten nicht so hell
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