Verflucht, gehängt und doch lebendig
einen Fluchtversuch wagen. Er würde Sie nämlich finden, Mr. Fletcher.«
»Ha, ich brauche mich nur in den Bus zu setzen und zu fahren.«
»Darkman wäre da.«
»Scheiße, Sinclair, Sie können einem Menschen vielleicht den richtigen Mut machen!«
»Hören Sie mir zu, ich bin noch nicht fertig.«
»Aber ich bin es fast.«
Auch wenn er nicht verstanden hatte, was ich hatte sagen wollen, sprach ich weiter. »Sie stehen auf der Liste – und wir auch. Nehmen Sie uns einfach ab, daß es so ist. Deshalb werden wir, wenn es Ihnen nichts ausmacht, bei Ihnen in der Wohnung bleiben.«
Er schwieg zunächst. Dann hob er die Schultern und knetete dabei seine Hände durch. »Ich wohne allein im Haus.«
»Noch besser.«
»Sie glauben, daß er zu mir kommt?«
»Wir rechnen damit.«
»Und wenn nicht?«
Ich lächelte ihn an. »Er wird kommen, Mr. Fletcher. Er muß seine Rachetour durchführen. Es ist wie ein Schicksal, das auf ihm lastet. Dazu gehören auch wir.«
»Was haben Sie denn mit ihm zu tun?«
»Das erzählen wir Ihnen später. Jetzt schlage ich vor, daß wir diese ungastliche Stätte verlassen.«
»Ja, der Meinung bin ich auch.«
Fletcher warf keinen Blick mehr zurück. Nur Bill schaute noch einmal auf den Gehängten, während wir schon vorgingen und in den Gang hineintraten.
»Ich frage mich«, sagte mein Freund, als er bei uns stand, »wer dieser Darkman gewesen ist.«
»Ein Killer«, flüsterte Fletcher. »Ein irrer Psychopath, der mit dem Teufel im Bunde steht.«
Da konnte er recht haben, was den Teufel anging. Wir kannten schließlich genug Personen, die sich mit der Hölle verbündeten, um ihrem Leben einen gewissen Kick zu geben, damit sie Macht, Ansehen und Reichtum erwarben. Leider klappte das nie so richtig. Es war alles nur Blendwerk. Aber dieser Darkman brauchte nicht unbedingt ein Diener des Satans zu sein. Bei ihm konnte noch etwas anderes dahinterstecken. An einen Zombie glaubte ich bei ihm auch nicht. Der hätte sich schon längst nach Dartmoor hineingeschlichen, um dort die Opfer zu holen.
»Kennen Sie eigentlich seinen richtigen Namen?« erkundigte sich Bill.
»Nein, nicht. Ich weiß nur, daß er Darkman heißt. Oder sich so genannt hat.«
»Mehr wissen wir auch nicht«, gab Bill zu.
Das Zuchthaus atmete. Es lebte. Es war von einem gefährlichen und bösen Geist durchdrungen. Mir kam es plötzlich vor, als würde in jedem Stein des alten Mauerwerks ein Herz schlagen, dessen Echos in meinen Ohren dröhnten.
Er war hier!
Er war in der Nähe!
Er beobachtete uns!
Bill bemerkte die leichte Veränderung, die bei mir eingetreten war, denn ich war nicht mehr so gelassen, sondern viel gespannter. »Was hast du, John?«
»Ich spüre ihn.«
Bill schwieg. Er kannte mich. Fletcher, der ebenfalls zugehört hatte, drehte sich zeitlupenhaft um, damit er mich anschauen konnte. »Was sagen Sie da?«
Ich gab keine Antwort. Dafür legte ich einen Finger gegen meine Lippen und bedeutete ihm, ruhig zu sein. Ich wollte mich auf Darkman konzentrieren.
Ja, er war da.
Ich dachte an das Versprechen, das er uns damals gegeben hatte.
Sicherlich hatte er uns längst gesehen. Mir kam er jetzt vor wie jemand, der im Hintergrund die Fäden des Schicksals in den Händen hielt und sie nach Belieben zog.
Vor uns war der Gang leer.
Aber das besagte nichts. Darkman konnte sich überall versteckt halten.
Man hatte ihn verflucht, man hatte ihn gehängt, aber er war nicht tot. Er hatte sein Spiel aufgezogen. Mein Kreuz ›meldete‹ sich nicht. Das konnte bedeuten, daß ich mit meiner Theorie recht behielt und er nicht dem Teufel nahestand.
Wir waren nicht stehengeblieben und hatten uns auf den Rückweg gemacht. Diesmal noch gespannter als zuvor.
Die Luft war dick. Sie roch nach Schweiß, nach Angst…
Oder bildete ich mir das ein?
Das Lachen ließ uns stoppen. Es hallte auf uns nieder wie ein gewaltiger Schwall. Es riß uns aus den Gedanken. Es sorgte für eine Gänsehaut, und es machte uns klar, wer die Regie führte. Er war überall, aber der Gang vor uns war leer. Demnach konnte sich Darkman nur irgendwo über uns aufhalten.
Wir hielten uns in einem geschlossenen Trakt auf. Die Halle mit den einzelnen Etagen und den Gängen dort, die von Zellen flankiert wurden, lag woanders. Möglicherweise hielt sich Darkman dort auf. Wenn ja, durchdrang sein Lachen sogar die Wände.
Es verebbte allmählich. Es wurde leiser. Es war nicht mehr so donnernd.
Es klang schon mehr kichernd und auch triumphierend. Und
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