Verflucht, gehängt und doch lebendig
war alles entfernt worden, bis auf die Schmierereien an den Wänden, die wir kaum wahrnahmen, obwohl wir die Zelle betreten hatten.
Wir tasteten die Wände ab. Alles war normal. Es gab keinen Durchschlupf, keinen verborgenen Kontakt, hier hatte sich wirklich nichts verändert.
»Wo ist er denn?« fragte ein keuchender Dean Fletcher, der ebenfalls hochgeeilt war.
»Weg«, sagte ich.
Er lachte nur. Es klang auch erleichtert. Seine nächste Frage sollte spöttisch klingen. »Jetzt sagen Sie nur, daß er sich in Luft aufgelöst hat.«
»So ähnlich«, gab ich zu.
Fletcher lachte wie ein Mädchen. Er konnte kaum sprechen. »Das ist doch nicht wahr. Das kann nicht stimmen. Das glaube ich nicht. Niemand kann sich in Luft auflösen, nicht einmal Darkman. – Das ist doch Scheiße!« brüllte er plötzlich los. »So was gibt es nicht!«
»Leider doch«, widersprach ich und drehte mich um.
Fletcher stand an der offenen Tür und hatte die Arme ausgebreitet. »Das fasse ich nicht. – Wie soll es denn jetzt weitergehen?«
»Das dürfen Sie uns nicht fragen«, sagte Bill.
»Wen denn? Darkman?«
»Genau den«, antwortete ich und schob ihn zur Seite, weil ich die Zelle verlassen wollte. Ich ging bis an die Brüstung vor und schaute in die Tiefe. Dort unten hatten wir einmal gestanden, aber Darkman hatte den Platz nicht eingenommen.
Fletcher gesellte sich zu mir. Ich roch seinen Atem und drehte den Kopf zur Seite. »Aber er ist doch nicht verschwunden, Sinclair. Oder?«
»Sie haben recht.«
»Dann kommt er zurück.«
»Wir werden ihn erwarten.«
»Hier?« krächzte Fletcher.
»Nein. Wir müssen zunächst alles ihm überlassen. Außerdem mag ich Zuchthäuser nicht, auch wenn sie leer sind. Wir gehen.«
Damit waren Fletcher und auch Bill einverstanden. Aber keiner von uns wußte so recht, wie es weitergehen sollte. Eines jedoch stand fest.
Darkman hatte alles, er hatte nur nicht aufgegeben. Und wir mußten uns noch auf einiges gefaßt machen können…
***
Wir waren nach Dartmoor hineingefahren, hatten aber vom Ort selbst kaum etwas gesehen. Er interessierte uns auch nicht, denn unsere Gedanken drehten sich mehr um Darkman. Er war wie ein Geist gekommen und auch so verschwunden. Einfach weg. Von einem dunklen Strom aufgesaugt und vorbei. Ein Rätsel, das uns Kopfzerbrechen bereiten würde, obwohl wir einiges gewohnt waren.
Dean Fletcher lebte allein in einem Haus, das mehr einer Hütte glich.
Man merkte wirklich die fehlende Hand einer Frau. Es war einfach alles ziemlich unordentlich und wirkte schmutzig. Das konnte auch an diesem trüben Tag liegen, denn die Wolken waren tiefer gesunken und hatten ihren ersten Regen entlassen, der als feiner Sprüh zu Boden sank. Die Luft war feucht wie in einem alten Keller, hinzu kam die Wärme, und es roch nach einem Gewitter.
Im Haus führte uns der Mann in die Küche. »Hier hocke ich normalerweise«, sagte er und deutete in die Runde. »Das ist wirklich eine verdammte Schande, aber was soll man machen? Meine Frau ist weg. Konnte es nicht mehr mit mir aushalten. So ist alles ziemlich vergammelt. Ich habe auch keine Lust, hier aufzuräumen, denn ich kann mir vorstellen, daß es sich nicht mehr lohnt.«
»Wie meinen Sie das denn?« fragte Bill.
»Darkman ist schneller.«
»Geben Sie so rasch auf?«
Er schüttelte den Kopf. »Das hat mit Aufgabe nichts zu tun, Mr. Conolly. Überhaupt nichts. Ich hätte es wie meine Frau Helene machen sollen. Einfach abhauen.«
»Wir werden Darkman stellen.«
Fletcher mußte einfach lachen. »Was Sie da sagen, Mr. Conolly, kann ich nicht glauben. Sie werden ihn nicht stellen. Vielleicht wird er kommen, das ist möglich. Aber er ist Ihnen, Ihrem Freund und auch mir über. – Wir sind die nächsten. Da können Sie nichts machen. Tut mir leid, aber das ist so.«
»Eigentlich haben wir noch nie aufgegeben«, sagte Bill, um ihm Mut zu machen. »Bisher sind wir damit auch gut gefahren.«
»Der ist doch besser als wir alle zusammen. Sie haben doch selbst erzählt, was in der Zelle passiert ist. Auf einmal war er weg. Eingetaucht in die Schwärze. Haben Sie sich das mal durch den Kopf gehen lassen? Haben Sie das?«
»Ja, das haben wir«, sagte ich. »So unwahrscheinlich dies auch gewesen sein mag, es wird eine Erklärung dafür geben. Und wir werden sie auch herausfinden.«
Er reckte mir sein Kinn entgegen. »Wie wollen Sie das denn anstellen, Mr. Sinclair?«
»Unter anderem mit Ihrer Hilfe.«
»Ach! Tatsächlich?« Er streckte die Beine
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