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Verflucht himmlisch

Verflucht himmlisch

Titel: Verflucht himmlisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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sich. Er machte einen Schritt auf mich zu, dann wieder zurück und schüttelte seufzend den Kopf. Einen Moment lang schaute er mich so mutlos an, dass ich meine Worte beinahe zurückgenommen hätte. Doch das durfte ich nicht. Auf gar keinen Fall durfte ich das. Leander stopfte die Hände tief in seine Hosentaschen, als könnten sie sonst etwas tun, was er nicht wollte, und nickte mir traurig zu.
    »Leb wohl, chérie«, sagte er gedämpft, drehte sich um und lief schleppend die Gasse hinauf. Schon nach wenigen Metern begann sein Körper blau zu schimmern, bis er durchsichtig wurde und sich auflöste. Leander war fort.
    Ich schluchzte auf und rannte torkelnd auf die Straße zurück, die mich nach Hause führte. Weinend nahm ich die Treppe und stolperte zu Mama in die Küche.
    »Oh Gott, Luzie, was ist denn los, Luzie, Liebes …« Sie ließ den Tannenzweig fallen, den sie gerade mit blöde grinsenden Engeln bestückte, und schloss mich in ihre Arme.
    »Ich hab die S-Bahn verpasst und jetzt ist Seppo allein im Kino und überhaupt, mein Ohr tut so weh!«, heulte ich und konnte immer noch nicht glauben, was eben passiert war. Ich hatte Leander tatsächlich vertrieben. Er war gegangen. Nein, er war verschwunden, hatte sich in Luft aufgelöst. Die dunkle, enge Gasse, in der ich mich zuvor noch so gefürchtet hatte, war plötzlich totenstill und leer gewesen. Als hätte es Leander nie gegeben. Ich war wieder frei. Und trotzdem weinte ich so heftig, dass ich kaum mehr atmen konnte.
    »Dein Ohr? Schatz, du glühst ja! Kein Wunder, dass du dich schlecht fühlst. Oh, meine Kleine, mein armes kleines Mädchen …«
    Mama brachte mich ins Bett, als wäre ich maximal im Kindergartenalter, und schaffte es, einen Arzt aufzutreiben, der so spät am Abend noch vorbeikam. Er schnalzte mit der Zunge und sagte: »Sehr schön«, nachdem er in mein Ohr geschaut hatte, und ich wusste, was das bei Ärzten bedeutete. Vereitert. Mindestens vereitert.
    Und so war es auch. Aber zum Glück nur das Ohr und nicht der Hals oder die Bronchien. Ich bekam Tropfen gegen die Schmerzen und ein Antibiotikum und war zu erschöpft, um Mama davon abzuhalten, sich zu mir ans Bett zu setzen und mir eine Weihnachtsgeschichte vorzulesen.
    Irgendwann dämmerte ich vor Erschöpfung ein, doch in meinen nächtlichen Fieberträumen lauschte ich immer wieder, ob sich das Fenster öffnete oder der Schreibtisch knarzte oder die Schnalle von Leanders Lederweste an der Heizung entlangschrammte. Aber da war niemand. Da war nur ich.

Auferstehung
    Nach drei Tagen Kranksein hörte Mama damit auf, mich »mein kleines Mädchen« zu nennen, und tauschte es gegen »junges Fräulein« aus. Ich war also dabei, gesund zu werden. Ich hatte alle Zeit und Ruhe dafür gehabt. Kein Leander, der stundenlang mit dem überaus spannenden Dasein der Sky Patrol prahlte, Fleischklößchen mit Ketchup in sich hineinstopfte, literweise Duschgel verbrauchte und mit mir französische Verben konjugierte.
    In den ersten beiden Tagen genoss ich es. Ich hätte sein Gebrabbel nicht ertragen können. Am dritten Tag, als es mir etwas besser ging, fühlte sich Leanders Abwesenheit seltsam an. Ja, ich war froh, ihn endlich vertrieben zu haben. Aber gleichzeitig wusste ich, dass ich jetzt wirklich allein war. Schon mit dreizehn Jahren hatte ich keinen Sky Patrol mehr. Ich war zwar überzeugt davon, dass ich gar keinen brauchte und wahrscheinlich nie gebraucht hatte. Aber der Gedanke, dass vorher immer jemand bei mir gewesen war, in allernächster Nähe, und ich nun völlig mir selbst überlassen war, nahm mir ab und zu die Luft weg.
    Und einige Dinge hatten sich verändert – so stark verändert, dass ich nicht darüber hinwegsehen konnte. Zum Beispiel fror ich nachts wie ein Schneider. Ausgerechnet jetzt, wo mein Ohr schlimm vereitert war, rutschte ständig die Bettdecke von meinem Gesicht und das raubte mir den Schlaf. Jetzt erst registrierte ich, wie eiskalt es in unserer Wohnung zwischen neun Uhr abends und sechs Uhr morgens war. Ich bekam mit Papa Streit, weil ich ihn dazu überreden wollte, die Heizung nicht mehr auszuschalten. »Wenn jeder so denken würde wie du, meine liebe Luzie«, sagte er steif, »dann überschwemmen uns in spätestens fünf Jahren die Weltmeere. Nimm dir eine dickere Decke, wenn du frierst. Deine Mutter hat genügend davon.«
    Das stimmte. Mama hatte ein ganzes Schrankfach voller Kuscheldecken. Doch das nützte nichts. Ich konnte mich in zehn Decken einwickeln, sobald ich mich

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