Verfolgt
muss). In der Zwischenzeit kann ich ein Körperpeeling |76| vornehmen, vor allem an Ellbogen, Knien und Füßen (fürs Gesicht benutze ich ein anderes Peeling sowie Gesichtswasser). Ich wasche mir die Kurpackung aus dem Haar, steige aus der Dusche, wickle mich in Handtücher und gehe zur Zahnreinigung über (Zahnseide und Zahnpasta mit Aufheller). Anschließend reibe ich mich von Kopf bis Fuß mit Feuchtigkeitslotion ein, wobei ich selbstverständlich gesonderte Produkte für Füße, Augenbereich und das übrige Gesicht verwende. Zum Schluss widme ich mich wieder meinen Haaren. Ich muss zwanzig Minuten föhnen, bis sie endlich trocken sind. Als das erledigt ist, benutze ich noch Handcreme und sprühe mich mit einem frischen Sommerduft ein.
Bis jetzt weiß immer noch niemand, wer mich eigentlich gerettet hat. Wenn der Typ wieder auftaucht, müsste er einen Orden bekommen, finde ich. Die Queen müsste ihm eine Audienz gewähren und ihn dafür auszeichnen, dass er Lexi Juby das Leben gerettet hat. Das Fernsehen müsste über ihn berichten! Mutter glaubt ja, dass es ein umherziehender Hippie war, das genügt ihr als Erklärung. Owen ist da schon neugieriger. Gestern Abend hat er gemeint, ob wir nicht noch mal hinfahren und uns nach dem Mann umsehen sollen, damit ich mich bei ihm bedanken kann. Aber ich will nicht mehr dorthin, schon gar nicht mit Owen. Soweit ich inzwischen weiß, war das Gebäude früher eine Art Krankenhaus, aber es ist mir nicht gelungen, mehr darüber zu erfahren.
Von unten aus dem Wohnzimmer erschallt ein dröhnender |77| Furz. Widerlich, der Mann! Ich finde Owen einfach nur abstoßend. Wie er riecht. Die hässlichen Polyesterhosen, die er zur Arbeit trägt, und seine fiesen glänzenden schwarzen Schuhe. Und so was will mein Stiefvater werden! Auch seinen Beruf finde ich zum Kotzen. Er arbeitet auf dem Flughafen bei der Einwanderungsbehörde, soll heißen, er ist dazu da, alle Neuankömmlinge erst mal einzuschüchtern. Manchmal geht er auch auf einen »Vergnügungsausflug«. Hat er mir gestern erklärt, als meine Mutter arbeiten war. Er und noch drei andere fliegen dann in fremde Länder und »begleiten« abgeschobene Asylanten.
»Manchmal schreien sie«, hat er mir grinsend erzählt. »Und manchmal wehren sie sich auch, darum müssen wir ihnen Handschellen anlegen.«
»Das sind doch keine Verbrecher!«, habe ich gesagt. »Warum behandelt ihr sie so?«
»Ich will ja nicht behaupten, dass es alles zwielichtige Typen sind«, hat Owen gesagt, »ich hab ja keine Vorurteile. Aber die meisten sind Sozialschmarotzer, kommen nur hierher, um auf Kosten der Steuerzahler ein besseres Leben zu führen. Auf meine Kosten. Sie versuchen eben ihr Glück, das ist nur menschlich.«
»Da irrst du dich«, habe ich ihm widersprochen. »Die meisten sind Kriegsflüchtlinge und so.«
»Du bist naiv, Lexi. Aber ich mag naive Mädels.«
»Verpiss dich!«, habe ich gezischt. »Wenn meine Mutter hier wäre, würdest du dich nicht trauen, so mit mir zu reden. Schade, dass
du
nicht mal abgeschoben wirst!«
|78| Es muss der absolute Horror sein, von einem Arschloch wie Owen im Flugzeug begleitet zu werden. Andauernd erzählt er, wie er jemanden zusammenschlagen musste, damit derjenige nicht während des Fluges randaliert. Hoppla, ist das mein Ernst? Ich ereifere mich über Politik! Wenn man grade gut drauf ist, ist es wahrscheinlich leicht, solche Sachen zu ignorieren. Aber wenn man hier wohnen und dem blöden Owen zuhören muss, kommt man nicht drum rum, sich damit zu befassen. Ich wüsste zu gern, was meine Mutter an ihm findet, aber ich mache mir ihretwegen keine Sorgen. Meine Mutter ist zäh. Sie weiß Owen zu nehmen. Nein, ich mache mir meinetwegen Sorgen. Seit ich Owen kenne, rückt er mir irgendwie auf die Pelle, belauert mich, wartet auf einen günstigen Augenblick, um zuzuschlagen.
Ich mache mich ans Schminken. Weil ich so schauderhaft aussehe, fahre ich gleich das volle Programm auf: Grundierung, Rouge, Lidschatten, Wimperntusche, dicken schwarzen Lidstrich und zum Schluss Lipgloss, damit es natürlich aussieht.
Als ich fertig bin, atme ich auf. Endlich sehe ich mir wieder ein bisschen ähnlich.
Unten in der Küche liegt meine Mutter mit Gurkenscheiben auf den Augen auf dem Fußboden und hört ihre Hochzeits-Entspannungs-CD. Zurzeit kennt sie nur zwei Themen: die Hochzeit (dieses Thema macht sie froh) und Tyson (dieses Thema macht sie traurig und weinerlich). Sie hat in ganz Bewlea »Entlaufen«-Zettel
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