Verfuehr mich
Nase in den Stoff und genoss den Geruch, den es verströmte. Es roch nach ihm. Dann zog sie es über den Kopf, aber nicht über die Schultern. Sie hatte nämlich nur einen BH dabei. Wo zum Teufel steckte er nur?
Über der Stuhllehne. Sie legte ihn um und zog das T-Shirt herunter, das so fast ihre Shorts bedeckte. Bliss warf einen letzten, langen Blick auf Jaz und gab ihm einen Luftkuss.
Bevor ihr der Weg zum Hafen wieder einfiel, verlief sie sich ein paarmal, geriet in Sackgassen. Pine Island war flach und die engen Straßen führten in alle möglichen Richtungen – besonders in Breezy Bay.
Einer der Wege war von einem hohen, dichtbewachsenen Spalier aus Strandrosen blockiert und auf einem anderen hatte jemand ein kleines Segelboot zurückgelassen. Doch diese Hindernisse machten Bliss nichts aus. Die Morgenluft war frisch, sauber und roch nach Meer.
Es waren auch noch ein paar andere Frühaufsteher unterwegs. Einige auf Fahrrädern. Als Bliss plötzlich bemerkte, dass sie das Summer-Club -Gelände durchquerte und somit an Vis Haus vorbeimusste, beschleunigte sie ihre Schritte etwas. Doch als ihr das Gemisch aus Gin und Kirschen wieder einfiel, an dem ihre Chefin sich gestern gütlich getan hatte, wurde ihr Schritt wieder langsamer. Niemals würde Vi um diese Zeit schon auf den Beinen sein.
Eine vage Erinnerung ließ sie links abbiegen, und sie fand sich recht bald auf der Hauptstraße wieder. Die Besitzerin des kleinen Ladens öffnete gerade die Türen, und Bliss drang nicht nur der unwiderstehliche Duft von Kaffee in die Nase, sondern auch der von irgendetwas Frischgebackenem.
»Sie sind meine erste Kundin«, sagte die Frau. »Sie sind neu hier, nicht wahr? Ich bin Bunny.«
»Und ich bin Bliss.«
Die Ladenbesitzerin lachte freundlich. »Dann haben wir ja beide komische Namen. Aber wenigstens vergessen die Leute so einen Namen nicht. Kommen Sie doch herein.«
Bliss betrat den mit glatten Holzdielen ausgelegten Laden, nahm einen kleinen Einkaufskorb und fand recht schnell Schinken, Eier und Orangensaft. Dann grübelte sie über den ordentlich aufgeschichteten Obstpyramiden, welche Nektarinen und Pflaumen sie nehmen sollte und ging dann zur Kasse, wo Bunny gerade den Kaffeeausschank herrichtete.
Bliss atmete den Duft einiger sehr kleiner, sehr üppiger Pasteten ein, die auf einem Teller lagen. Sie waren ganz offensichtlich erst vor Kurzem aus dem Ofen gekommen.
»Das Backen erledige ich immer, bevor es zu heiß wird«, erklärte Bunny. »Sie sind schon fast ausgekühlt … und immer sehr schnell weg.«
Bliss nahm eine Serviette aus einem Spender, griff sich eine der Pasteten und knabberte an der knusprigen Kruste. Die sofort heraustropfende Apfelfüllung leckte sie mit der Zunge ab. »Mmmh. Die schmecken ja großartig! Und sie sind so klein, dass man gar keine Schuldgefühle haben muss.«
Die ältere Frau lächelte. »So soll es sein. Die Leute kaufen meistens gleich ein paar Dutzend. Normalerweise sind sie schon um halb zehn weg.«
»Ich nehme vier«, verkündete Bliss. »Und die hier noch.«
Bunny packte die Köstlichkeiten ein und ging dann zur Kasse, um Bliss’ Einkäufe einzutippen. »Wollen Sie vielleicht gleich ein Kundenkonto eröffnen, Schätzchen?«
»Äh, nein. Ich bezahle in bar.« Jaz hatte ganz sicher ein Kundenkonto, aber nach einer Nacht wie dieser ging das Frühstück natürlich auf sie. Sie wollte ihn einladen.
Bliss nahm die Tüten, bedankte sich bei Bunny und warf nur einen kurzen Blick auf die schlanken, jungen Kerle in kurzen Jogginghosen und Sneakers, die vor dem Eingang zum Laden haltmachten.
»Ich brauche was zu trinken«, sagte einer von ihnen und wischte sich mit dem Handrücken über das rote Gesicht.
»Ihr könnt ruhig reinkommen«, rief Bunny freundlich. »Aber schwitzt mir nicht mein Obst voll.«
»Keine Sorge«, keuchte der andere Läufer. »Sind noch welche von diesen kleinen Pasteten da? Ich brauche dringend Kohlehydrate.«
»Ja. Beere oder Apfel?«
Sie schienen sich alle zu kennen. Pine Island war ein sehr freundlicher Ort. Bliss hielt kurz inne, um einen Blick auf die Schlagzeilen der Zeitungen zu werfen, die draußen auslagen. Auf einer stand in der oberen, rechten Ecke die Wettervorhersage: 38 Grad, feucht. Verminderte Luftqualität.
Hier nicht. Die reale Welt schien auf köstliche Weise weit weg.
Als sie zurückkehrte, lief Jaz gerade auf der Terrasse umher und nippte dabei an einem Kaffee. Bei ihrem Anblick stellte er die Tasse sofort beiseite
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