Verfuehr mich
auch noch nicht kennengelernt.«
Sie sah Jaz neugierig an. »Ich weiß, dass du das mit dem Arbeiten für ihn nicht ernst meinst – aber du klingst ernst.«
»Keine Sorge. Ich kann es im Hammerschwingen zwar durchaus mit den Besten aufnehmen, aber ich habe keine Lust, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich kann mich ja auch eigentlich nicht beklagen. Hot Treats war sehr gut für mich. Wenn ich jetzt noch fünfzehn Jahre durchziehe, kann ich vorzeitig in Rente gehen.«
»Wieso willst du denn in Rente gehen?«
Jaz’ Gesichtsausdruck wurde nachdenklich und auch ein bisschen traurig. »Mein Vater starb zu früh. Krebs. Es gab noch so viele Dinge, die er in seinem Leben hätte tun wollen. Keine Chance. Vielleicht ist dir ja das Foto von mir, meinem Bruder und meinem Vater im Keller auf Pine Island aufgefallen …«
»Ich hab’s gesehen«, erwiderte Bliss leise.
»Ich wollte es schon längst abnehmen und einen Abzug davon fürs Büro anfertigen lassen – damit ich nicht aus den Augen verliere, was im Leben wichtig ist.«
In diesem Moment fiel Bliss ein, dass sie sich noch gewundert hatte, wieso in Leonardville nur ein Foto von ihm und seiner Mutter hing. Aber sie sagte nichts.
»Tja«, fuhr Jaz fort, »aber ich habe es noch nicht getan. Das Foto hängt jetzt seit Jahren dort. Meine Mutter hatte es rahmen lassen und über die Werkbank gehängt, damit er immer daran erinnert wurde, was wichtig ist.« Er starrte aus dem Seitenfenster. »Sie kommt nie raus nach Pine Island. Zu viele Erinnerungen.«
Keiner von beiden bemerkte, dass der Stau sich langsam auflöste. Zwar ging es nicht im Eiltempo voran, aber sie kamen langsam dorthin, wo sie hinwollten.
»Er fehlt dir, nicht wahr?«, fragte Bliss schließlich.
»Ja«, antwortete Jaz. »Aber er ist fort, und das lässt sich nicht mehr ändern. Jammern duldete er übrigens in keiner Weise. Ein quengeliges Wort und man musste sofort alte Farbe von den Zäunen abkratzen oder so was in der Richtung.«
Bliss nickte. »Mein Vater war ganz genauso zu mir.«
»Was hat er denn beruflich gemacht?«
»Versicherungen in einer Kleinstadt verkauft. Das tut er immer noch.«
»Und deine Mutter?«
»Sie war Lehrerin.«
»Meine Mutter auch«, entfuhr es Jaz überrascht. »Sie hat Geschichte an der Highschool unterrichtet.«
»Ich wette, sie waren beide sehr stolz auf dich«, sagte Bliss mit sanfter Stimme.
»Sicher. Damals habe ich mich schon während der Schule zu sehr merkwürdigen Uhrzeiten in die Welt der Börsenmakler eingearbeitet. Ich hatte mit ausländischen Märkten zu tun, die Stunden vor Beginn des Unterrichts den Handel eröffneten. Irgendwann hatte ich dann meinen Betriebswirt, habe erst kleinere Firmen geleitet und bin dann zu Hot Treats gekommen.«
»Ein neuer Stern am Manager-Himmel.« Ihr Ton war leicht und neckend, aber sie meinte ernst, was sie sagte.
Er tat das Kompliment mit einem Schulterzucken ab. »Die Snacks von Hot Treats würden auch so aus der Fabrikhalle rollen – ob ich den Laden nun leite oder nicht. Ich bin nur ein Rädchen in einer großen Maschinerie. Darüber gebe ich mich keinen Illusionen hin.«
»Was würdest du tun, wenn du so viel Geld hättest, wie du wolltest?«, fragte Bliss ihn.
»Okay, manche Leute glauben zwar, ich könnte nicht kochen, aber ich würde auf Pine Island gern mitten im Nichts ein Restaurant eröffnen, das dann im Sommer von all meinen Freunden bevölkert wird. Und den Rest des Jahres über würde ich ehrenamtlich irgendwas Sinnvolles tun.«
»Ein Restaurant? Interessant.«
»Findest du? Ich zeige dir, wo’s liegt.«
Bliss war fasziniert. »Du meinst, dieses Restaurant existiert bereits?«
»Es ist zwar schon seit Jahren geschlossen, aber ja, es existiert. Und ich habe dich nicht auf den Arm genommen, als ich ›mitten im Nichts‹ sagte.«
Sie liefen die Stufen der Terrasse seines Refugiums in Breezy Bay hinauf. Beide waren wie erlöst von der Arbeit, dem Verkehr und allem, was das Leben in der realen Welt so mühsam machte. Ein kühler Wind blies Dunstschleier vom Meer herüber, der die Pfade in ein sanftes graues Licht tauchte. Jaz wuchtete die Kiste und die Kühltasche für leicht verderbliche Lebensmittel hoch, die der Botenjunge vor dem Haus abgestellt hatte, und trug sie ins Haus.
»Bunny kann Gedanken lesen«, sagte er zu Bliss, während er den Inhalt der Lebensmittelkiste und der Kühltasche prüfte. »Alles drin, was ich will. Für die nächsten drei Tage sind wir versorgt.«
»Das
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