Verfuehr mich
die alle mütterlichen Tricks aufbieten mussten, um die Kinder beisammenzuhalten.
»Bummelzug«, kommentierte Joe.
»Ich verstehe, was du meinst.« Die Kinder hinterließen eine lange Reihe von kleinen, feuchten Fußabdrücken, als sie den Wagen passierten. »Pine Island muss für Kinder ein toller Ort sein.«
»Das stimmt allerdings. Besonders als Jaz und ich noch klein waren.« Einen Moment lang schien er sich in seinen Gedanken zu verlieren. »Wo willst du gleich noch mal hin?«
»Zu Vis Haus.«
Er nickte, bog links ab und hielt irgendwann vor dem eckigen Strandhaus von Bliss’ Chefin an. Sie nahm ihre Sachen und winkte ihm zum Abschied zu. »Danke, Joe. Komm doch irgendwann am Wochenende mal vorbei. Ich mache Hackbraten.«
Joe grinste. »Alles klar. Mach ich. Wann kommt Jaz denn?«
»Mit der letzten Fähre. Er will unbedingt Alfs Klammergriff entkommen.«
Joe zog eine Grimasse. »Der alte Esel. Er glaubt, Jaz wäre sein Eigentum. Aber mein Bruder gehört niemandem.«
»Ich weiß«, erwiderte Bliss in der Hoffnung, dass Joes Bemerkung nicht als eine Art Warnung gemeint war. »Bis später. Danke fürs Mitnehmen.«
»Kein Problem. Hast du alles?«
»Ja.« Sie schlang die beiden Taschen über ihre Schulter und steuerte auf Vis Haus zu. Im Hintergrund hörte sie noch das schwache Aufheulen des Golfwagens, der denselben Weg zurückfuhr, den sie gekommen waren.
Bliss klopfte an die Glastür und schaute in das Innere des Hauses. Sie musste eine Hand über die Augen legen, um bei der immer wieder herauskommenden Sonne überhaupt etwas erkennen zu können. Es schien niemand zu Hause zu sein – obwohl Vi sie eigentlich erwartete. Und nach den riesigen Flipflops vor der Tür zu urteilen – Größe fünfzig -, müsste Rocco eigentlich auch da sein. Bliss klopfte erneut an die Glastür.
»Ich komme!«, rief Vi.
Bliss wartete, bis Vi schließlich aus einem hinteren Raum kam und das Wohnzimmer durchquerte, um die Tür zu öffnen. Sie hatte nicht einfach so in das Haus ihrer Chefin platzen wollen.
»Hi, Vi.«
Die beiden Frauen tauschten Luftküsse aus. »Ich wollte gerade zur Bucht laufen«, erklärte Vi. »Rocco hat die Kajüte vom Fischerboot genommen, um es leichter zu machen. Er will nicht wieder auf einer Sandbank festsitzen.«
»Das ist ja auch nicht gerade lustig.«
»Oh, hab ich dir schon erzählt, dass er dem Boot endlich einen Namen gegeben hat? Neptuns Torheit. «
Bliss grinste. »Na, das passt ja.«
Vi zeigte auf einen Plastikwäschekorb, der voller nagelneuer Rettungswesten war. »Ich habe darauf bestanden, diese Westen anzuschaffen. Im Schiffsausrüsterladen war Sommerschlussverkauf.«
»Aber der Sommer ist doch noch gar nicht zu Ende.«
Vi nahm eine grell orangefarbene Weste aus dem Korb und wedelte damit herum. »Außer den Einheimischen und ein paar Dickschädeln verlässt im September eigentlich alle Welt Pine Island. Der Schlussverkauf findet hier also immer schon Anfang August statt.« Sie hielt sich die Rettungsweste vor die Brust. »Und, wie sehe ich aus?«
»Die Farbe steht dir gut. Orange passt zu deinen Augen.«
Vi schnaufte und warf die Weste zurück in den Korb. »Sehr witzig. Vergiss nicht, wer deine Gehaltsschecks unterschreibt.«
Bliss lächelte nur. Vielleicht färbte Jaz’ Einstellung ja schon ein bisschen auf sie ab. Konnte auf jeden Fall nicht schaden. Sie stellte die Tasche mit den Unterlagen auf einen niedrigen, aus Treibholz gezimmerten Tisch. »Ich habe die Layouts mitgebracht.«
»Großartig«, erwiderte Vi gleichgültig, »aber die können wir auch später durchgehen. Rocco wartet.« Sie nahm den Korb mit den Rettungswesten und sah Bliss erwartungsvoll an.
»Oh, du möchtest gern, dass ich mitkomme?«, fragte Bliss.
»Na klar. Yohoho und’ne Buddel voll Rum!«
Eine Minute später stapften die beiden Frauen bereits über den Pfad zur Bucht. Bliss hatte nichts dagegen. Sie war bisher noch nicht auf Roccos Boot gewesen und freute sich sogar darauf.
»Hast du den Artikel über ihn in ArtNews gelesen?«, fragte Bliss.
»Natürlich«, antwortete Vi. »Dieses verdammte Boot ist berühmt. Es war schon ein Haufen Collegestudenten hier, um es sich anzusehen. Tausende von Zigaretten haben sie geraucht, während endlos darüber gesprochen wurde, wie symbolisch es doch ist. Rocco musste jedem von ihnen Gratisfahrkarten für die Fähre und eine Radierung schenken, um sie wieder loszuwerden.«
»Symbolisch, wofür?«
»Hab ich vergessen. Für den Kampf zwischen Mann
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