Verfuehr mich
sich zu haben. In einer warmen Sommernacht in High Heels herumzulaufen bot nämlich beste Chancen, sich Blasen zu laufen.
Die Tische auf dem Gehsteig waren alle besetzt. Einige der Gäste hatten ihre Unterarme auf die Absperrung gestützt, welche die Sitzplätze von der Straße trennte. Das Pärchen blieb stehen, um die Speisekarte zu studieren, die unter Glas in einem vergoldeten Rahmen hing. Die Preise waren entsprechend. Jaz beeindruckte das nicht im Geringsten, und als Bliss durch das Fenster schaute, sah sie, dass alle Tische frei waren. Allerdings war auch da die Klimaanlage ausgefallen.
»Ich gehe keinen Schritt weiter«, verkündete sie. »Lass uns draußen sitzen.«
»Bist du sicher?« Jaz rieb sich den Nacken. Sein Hemdkragen stand offen und den Schlips hatte er schon vor längerer Zeit einfach in die Hosentasche gestopft. »Ich meine, du bist ja sehr hübsch, wenn du schwitzt, aber wir können uns auch ein Taxi nehmen und woanders hinfahren.«
»Hier gibt es keine Taxis. Bestell einfach alles, was mit Eis zu tun hat. Dann geht das schon in Ordnung.«
Er gab der Kellnerin ein Zeichen, und sie wurden direkt neben der Absperrung platziert. Die Frau knallte ihnen zwei Speisekarten auf den Tisch und verschwand nach ein paar schnell gemurmelten Begrüßungsfloskeln wieder.
Jaz klappte die Karte auf. »Okay. Wir könnten mit einem Shrimpscocktail anfangen. Aber die Dinger hier drauf sind nicht irgendwelche Shrimps.« Er betrachtete die Speisekarte genauer. »Die stammen aus der Shrimpszucht der königlichen Familie Thailands und wurden in goldenen Käfigen an der Küste eines geheimen Meeres aufgezogen.«
»Du nimmst mich auf den Arm.«
»Lies doch die Karte. Und wenn wir Lust darauf haben, können wir unsere Königsshrimps auch in scharfe ketsiap -Sauce tauchen. Auch als Ketchup bekannt, wenn ich recht in der Annahme gehe.«
»Marketing ist eben alles.« Bliss stellte ihr Abendtäschchen auf den Tisch, aber Jaz nahm es sofort wieder herunter und legte sich das feine Trägerkettchen über die Schulter.
»Oh, es steht dir wirklich gut. Ich liebe es, wenn große, starke Kerle mit Handtäschchen rumlaufen.«
»Ich will nur nicht, dass sie dir jemand klaut, das ist alles. Es ist viel zu heiß, um über die Absperrung zu springen und einem Handtaschendieb hinterherzuhechten.«
»Da sind aber nichts weiter als ein Lippenstift und zwanzig Dollar drin.«
Jaz zuckte mit den Schultern. »Ist mir egal. Das ist der männliche Beschützerinstinkt. Dagegen kann ich nichts machen.« Die Kellnerin kehrte zurück und schwang Notizblock und Stift. Er bestellte zwei Shrimpscocktails, zwei Portionen gekühlten Wildlachs und zwei Salate. Bliss nickte seine Bestellung erleichtert ab, denn es war viel zu heiß, um Speisekarten zu wälzen, geschweige denn nachzudenken. Ihre Schenkel klebten schon aneinander und ihr hochgestecktes Haar löste sich langsam wieder. Sie sah allerdings auch nicht schlimmer aus als die anderen Frauen im Restaurant, und eigentlich war es ihr auch völlig egal. Bliss war einfach nur glücklich, mit Jaz zusammen zu sein.
Nachdem sie gegessen hatten, bestellten sie zum Nachtisch Himbeer-Wodka-Frappés, mit denen sie sich noch lange, nachdem er die Rechnung bezahlt hatte, aufhielten.
Als Bliss es plötzlich donnern hörte, schaute sie um die Kante der Markise in den pechschwarzen Himmel. Entweder sie würden von dem übelsten Gewitter bis auf die Knochen nass werden, oder sie blickte einfach nur auf total verschmutzte Stadtluft. Nachts ließ sich das schwer sagen. Als dann die ersten riesigen Tropfen auf den Bürgersteig klatschten, wusste sie Bescheid.
Bliss ruckelte ihren schmiedeeisernen Stuhl von der Absperrung weg und dichter an Jaz heran. »Sieht nach was Großem aus«, sagte er. Sein Gesicht strahlte wie das eines kleinen Jungen. Der Regen prasselte auf den Bürgersteig, sodass es bald aussah, als würde es nach oben und nicht nach unten regnen. Das spritzende Wasser kühlte Bliss’ heiße Beine ab und sie wackelte vor Freude mit den Zehen. Die anderen Gäste zogen sich jauchzend und palavernd ins Innere des Restaurants zurück, wo sie praktisch Schulter an Schulter sitzen mussten. Aber das schien niemanden zu stören. Sich seinen Platz zu erkämpfen gehörte in New York nun mal zum Sommer dazu. Nur die Starken überleben – und amüsieren sich im Allgemeinen ganz großartig dabei.
Irgendwann wurde aus dem Regen Hagel, der auf die Markise über ihnen und auf den Bürgersteig trommelte.
Weitere Kostenlose Bücher