Verfuehr mich
unter denen sie gelitten hatte, bevor sie Violet Lentones Mädchen-füralles geworden war. Der Lohn: eine jährliche Gehaltserhöhung, die in dem Hot-Treats -Auftrag gipfelte. Bliss’ erste, richtig große Aufgabe.
Wahscheinlich war es nicht allzu schlau gewesen, sich in den Kerl zu verlieben, der die Firma leitete – oder bald leitete. Aber der Mann war unwiderstehlich. Jaz’ rastlose Energie und sein zupackendes Wesen machten ihn zu einem überaus tatkräftigen Vorstandsvorsitzenden – und zu einem tollen Mann. War es falsch, dass sie ihn so sehr begehrte? War es dumm von ihr, zu glauben, die Sache würde wenigstens eine Zeit lang halten? Eine Zeit lang bis für immer?
Nachdenklich gestimmt stellte Bliss ihre Einkäufe ab und setzte sich mit einer Packung Kekse auf die Klappcouch. Sie nahm einen Liebesroman von dem Stapel direkt neben dem Sofa, las ein paar Seiten, legte ihn dann aber wieder beiseite. Sie riss die Keksschachtel auf und futterte ein ganze Hand voll Kekse weg, ohne auch nur irgendetwas zu schmecken. Wie schön es doch wäre, ein paar Tage ohne Jaz aushalten zu können oder wenigstens nicht ständig an ihn denken zu müssen. Aber mit Jaz war das Leben nun mal besser. Als Bliss sich tiefer in das Sofa kuschelte, spürte sie auf einmal die Fernbedienung an ihrem Hintern. Die einzig wahre Alternative zur Realität waren Reality-Shows. Und genau darauf würde sie sich jetzt stürzen.
Am Samstagmorgen entschloss Bliss sich, nach Pine Island zu fahren – mit oder ohne Jaz. Er wollte unbedingt nachkommen, war aber nicht sicher, ob er wegkonnte. Gott sei Dank musste sie sich nach seinem mitternächtlichen Geständnis keine Sorgen mehr wegen Dora machen. Er arbeitete tatsächlich.
Die Fähre nahm die längere Route, sodass Bliss jede Menge Zeit hatte, Menschen zu beobachten. Es gab junge, kuschelnde Paare und es gab ältere, kuschelnde Paare. Viele Kinder waren an Bord. Doch die waren eher mit ihren winzigen Videospielkästen beschäftigt und hatten keine Zeit, irgendetwas anzustellen. Eine bunte Auswahl an Hunden hielt die Nase in den Wind und blinzelte in das helle Licht. Es regnete nicht, aber richtig sonnig war es auch nicht. Der Himmel war weißgrau, und die endlose Weite der Bucht lag flach vor ihr.
Als sie in ihre Leinentasche schaute, sah Bliss das Buch, das sie zusammen mit Früchten und Keksen eingepackt hatte. Es handelte von einer unentschlossenen Frau auf der Suche nach etwas Sinn in ihrem Leben. Auf dem Einband waren ein flatternder Rocksaum und zwei nackte Füße abgebildet. Bliss wusste, dass sie es höchstwahrscheinlich nicht lesen würde. Ihre Büromappe war voller Layouts, die noch von Vi abgesegnet werden mussten. Das hieß, Bliss musste zumindest einen Teil des Wochenendes mit Arbeit verbringen.
Der Kapitän der Fähre ließ das Schiffshorn tuten und begann mit dem Anlegemanöver. Das Boot stieß ein paarmal gegen die Poller und lag dann ruhig an der Kaimauer. Bliss stand an der Reling des obersten Decks, als sie Jaz’ Bruder erblickte. Sie winkte ihm freudig zu. Joe stand neben einem Golfwagen, der bis zum Plastikdach mit Werkzeug und Holz beladen war. Er winkte zurück.
»Soll ich dich mitnehmen?«, rief er.
»Gerne!« Bliss flitzte die Metallstufen runter hin zu Joe und seinem Fahrzeug. »Kannst du mich zu Vis Haus fahren? Ich muss ein paar überarbeitete Layouts mit ihr besprechen.« Sie klopfte auf die Umhängetasche über ihrer Schulter.
»Kein Problem.« Joe legte ihre Reisetasche und die Aktenmappe auf eine Werkzeugkiste und setzte sich hinter das Steuer. Der kräftige Mann passte kaum in das kleine Gefährt hinein, aber es war das Einzige, was man hier in den Sommermonaten fahren durfte. Auf dem Armaturenbrett prangte ein Aufkleber mit Mein anderes Auto ist ein Monstertruck , der Bliss zum Lächeln brachte.
»Was machst du denn hier am Hafen?«, fragte sie.
»Ich habe nur einen meiner Männer abgesetzt. Eigentlich ist das sein Golfwagen, aber er hat mir erlaubt, ihn zu benutzen. Er wurde gerade zu einer Reserveübung einberufen.«
Joe wartete ein paar Minuten, bis die letzten Fahrgäste, die mit Bliss gekommen waren, mit ihren Wägelchen voller Seesäcke und Wochenendverpflegung verschwunden waren.
Sie plauderten miteinander, bis Joe irgendwann anhalten musste, um ein paar kleine Kinder mit nassen Haaren und Handtüchern um den zitternden Schultern über die Straße zu lassen. Die Parade der Gerade-vom-Strand-Zurückgekehrten wurde von zwei Frauen begleitet,
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