Verführe niemals Deinen Mann
mit ihr plaudern? Nachdem der Hochzeitstag eine Katastrophe war und ihm enormes Unheil drohte? Zum Teufel, da war einem nicht nach Small Talk zumute.
Zum Glück kam nun das Hotel in Sicht. Das Castello de King war ein Hotel der höchsten Luxusklasse und gehörte der Familie. Hier würden sie ungestört sein.
Das riesige Gebäude nahm den halben Straßenblock ein. Die rotbraunen Mauern schienen in der Nachmittagssonne zu leuchten. An jeder der vier Ecken befand sich ein turmartiger Vorbau, der dem Hotel ein schlossähnliches Aussehen verleihen sollte. Errichtet worden war es vor über hundert Jahren von einem schwerreichen amerikanischen Geschäftsmann, der sich wohl wie ein ungekrönter König fühlte. Vor ein paar Jahrzehnten hatte es dann die King-Familie erworben und in ein Hotel umgebaut. Aber erst in den vergangenen fünf Jahren war es so richtig in Mode gekommen und von den Reichen und Berühmten „entdeckt“ worden.
Travis hatte das Hotel schon immer gemocht. Seit sein Cousin Rico es übernommen hatte, machte er oft hier Urlaub.
Fotografen und Touristen standen vor dem Hotel, in der Hoffnung, einen Prominenten zu sehen. Nur widerwillig gingen sie zur Seite, als der Fahrer den Wagen auf das Hotelgelände manövrierte.
Travis versuchte sich vorzustellen, wie der Prunk des Hotels auf Julie wirken musste. Die Auffahrt war breit und von Tropenpflanzen in allen erdenklichen Farben gesäumt. In der Mitte des Platzes sprudelte ein großer Springbrunnen. Portiers in weißer Livree standen bereit, die wohlhabenden Gäste in Empfang zu nehmen und sie auf den Luxus einzustimmen, der sie erwartete.
Travis spürte geradezu, wie die Linsen der Paparazzi auf ihn gerichtet waren, begierig darauf, einen unvorteilhaften oder enthüllenden Schnappschuss einzufangen. Immerhin mussten sie auf Distanz bleiben – die Sicherheitsleute, scharf wie Wachhunde, achteten darauf, dass kein Journalist das hoteleigene Gelände betrat. Die Privatsphäre der Gäste war hier heilig; nur einer der Gründe, warum das Castello de King bei den Reichen und Schönen so beliebt war.
Der Wagen hielt. Bevor Travis auf seiner Seite aussteigen konnte, hatte einer der Portiers schon Julies Tür geöffnet und half ihr aus dem Auto. Bewundernd sah sie sich um. Travis trat an ihre Seite.
Sie schaut drein wie ein Kind, das zum ersten Mal in seinem Leben Disneyland betritt, dachte er unwillkürlich. Die Paparazzi mit ihren leistungsfähigen Teleobjektiven bekamen jetzt wahrscheinlich ein paar tolle Aufnahmen der King-Braut. Solange keiner darauf verfiel, in ihrem Vorleben zu schnüffeln, war alles in Ordnung. Aber wehe, falls einer Detektiv spielte und die Wahrheit herausfand!
„Señor King, schön, dass Sie uns mal wieder beehren.“ Der ältere Herr hatte eine Hautfarbe wie Milchkaffee, schlohweißes Haar und blassgrüne Augen.
Travis nickte kurz. Fast alle Hotelangestellten kannten ihn. „Schön, wieder hier zu sein, Esteban. Ist mein Cousin da?“
Natürlich würde Rico hier sein. Sein Cousin verließ das Hotel, das er aus eigener Kraft zu einer der beliebtesten Luxusherbergen weltweit gemacht hatte, nur selten.
„Sí. Soll ich ihm Bescheid geben, dass Sie …?“
„Nicht nötig“, sagte Travis. „Aber danke.“ Er würde Rico aufsuchen, sobald er Julie in der Penthouse-Suite einquartiert hatte, die ständig für Mitglieder der Familie frei gehalten wurde.
„Hallo“, sagte Julie zu dem älteren Herrn. „Ich bin Julie O’… , äh, ich meine, Julie King.“ Sie reichte dem Portier die Hand, und er nahm sie, etwas verwundert, dass sie einen Bediensteten so persönlich begrüßte.
Travis sah sie missbilligend an, aber sie lächelte nur. Die Fotografen vor der Absperrung schossen jetzt bestimmt unzählige Fotos von ihnen beiden. Schon schlecht, weil sie beide in diesem Moment wahrscheinlich nicht gerade wie ein glückliches Paar aussahen.
Er nahm Julie beim Arm, nickte dem Portier kurz zu und zog seine Frau ins Innere des Hotels, fort von den neugierigen Teleobjektiven.
„Das war ganz schön ruppig“, beklagte sie sich und entzog sich seinem Griff.
„Normalerweise stellt sich meine Begleitung nicht namentlich dem Portier vor“, murmelte er und legte seine Hand auf ihren Rücken.
„Mann, bist du ein Snob.“
„Ich bin kein Snob“, flüsterte er. „Aber Esteban macht hier seinen Job. Und dazu gehört nicht, sich mit den Gästen zu verbrüdern.“
„Ich wollte ihn ja auch nicht zum Essen einladen. Aber er kannte dich.
Weitere Kostenlose Bücher