Verführe niemals Deinen Mann
Braut offenbar immer noch bei den Reisevorbereitungen oder beim Umziehen war. „Ich weiß nicht, ob sie da mit drinsteckt. Aber ich werde es rauskriegen.“
„Das gefällt mir überhaupt nicht.“
„Ich weiß, Mom“, sagte Julie, während sie vergeblich versuchte, ihrem Haar mehr Fülle zu geben. Sie blickte in den Spiegel und dachte, dass sie eigentlich immer noch ganz passabel aussah, trotz allem, was heute passiert war. Ihr dunkelgrünes Kleid stand ihr sehr gut. Eigentlich zeigte es ein bisschen zu viel Haut, aber es war zu spät, sich jetzt noch einmal umzuziehen. Sie hinkte sowieso schon hinter dem Zeitplan her. Und wenn Travis auf etwas Wert legte, dann war es Pünktlichkeit.
„Warum war Jean Claude eigentlich hier?“, fragte ihre Mutter. Sie saß auf der Kante des riesigen Ehebetts.
Im Spiegel sah Julie das besorgte Gesicht ihrer Mutter. Ganz kurz hatte sie den Impuls, ihr alles zu erzählen. Aber was hätte das genützt? Damit würde sie ihre Mutter nur unnötig beunruhigen. Das Problem löste es nicht. Also ließ sie es lieber.
„Jean Claude? Um mir Glück zu wünschen“, antwortete Julie mit einem gequälten Lächeln.
„Hmm …“ Ihre Mutter kaufte es ihr offenbar nicht ab, aber zum Glück schien sie kein großes Thema daraus machen zu wollen.
Julie wandte sich ihr zu. „Hör mal, Mom“, sagte sie. „Ich weiß, dass du nicht begeistert bist, dass ich Travis geheiratet habe …“
„Ich habe nichts gegen ihn“, unterbrach ihre Mutter brüsk. Sie stand auf und ging zu Julie. „Das weißt du doch auch. Die King-Jungs haben alle ein gutes Herz.“
„Siehst du?“, sagte Julie. „Alles wird bestens.“
Doch ihre Mutter war noch nicht fertig. „Ich weiß, dass ihr beide als Kinder eng befreundet wart. Aber die Menschen ändern sich, und …“
„Ah, Mom, diese Kindergeschichten.“ Doch die Erinnerung war geweckt. Julie sah vor ihrem inneren Auge sich und Travis als Kinder, wie sie sich zur Scheune schlichen, um die Pferde mit Äpfeln zu füttern. Wie sie beide sich vor Jackson versteckten, wenn er mit ihnen spielen wollte. Wie sie Adam nachliefen, bis er sie fortjagte. Oh ja, sie waren sehr eng befreundet gewesen. Aber das war damals gewesen – und jetzt war jetzt. „Wir sind inzwischen erwachsen. Und wir wissen, was wir tun.“
„Aber einen Mann zu heiraten, den man nicht liebt – und sich dafür bezahlen zu lassen …“
„Wenn du das so sagst, hört es sich richtig anrüchig und schlecht an.“
„Ist es irgendwie ja auch, Liebling“, bemerkte Mary O’Hara Hambleton und ergriff Julies Hände. „Du hattest doch schon eine katastrophale Ehe. Ich will mehr für dich. Ich will, dass du liebst und geliebt wirst.“
„Irgendwann ist es bestimmt so weit“, erwiderte Julie und seufzte. Es war nicht das erste Mal, dass sie so ein Gespräch mit ihrer Mutter führte. „Aber das hier hat nun mal mit Liebe nichts zu tun. Travis brauchte eine Frau – und ich kriege meine Bäckerei. Es ist eine geschäftliche Abmachung, nichts weiter.“
„Hmm …“ Ihre Mutter schaute missbilligend drein. Julie wusste: Mary O’Hara Hambleton würde diese Abmachung niemals gutheißen.
Aber jetzt war alles unter Dach und Fach. Oder doch noch nicht? Wenn sie immer noch mit Jean Claude verheiratet war, dann war sie logischerweise noch nicht die Frau von Travis, also – ach, sie wollte wirklich nicht mehr darüber nachdenken.
„Mom, ich muss los. Travis wartet bestimmt schon.“
Ihre Mutter umarmte sie und küsste sie fest auf die Wange. Dann nahm sie ihr Gesicht in die Hände. „Lass dir nicht wehtun, Julie-Schatz. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir noch mal jemand das Herz bricht.“
Das wollte Julie auch nicht. Heute wusste sie, was für ein verbrecherischer Mistkerl Jean Claude wirklich war, aber irgendwann hatte sie ja ernsthaft geglaubt, ihn wie verrückt zu lieben. Und als er sie wegwarf wie ein benutztes Taschentuch, hatte das sehr wehgetan. So etwas wollte sie nicht noch einmal durchmachen. Und gerade deswegen würde die „Ehe“ mit Travis so gut funktionieren. Sie machten sich beide nicht vor, einander zu lieben.
Julie umarmte ihre Mutter und ging dann zur Schlafzimmertür. Ihre Koffer waren bereits im Auto, sodass sie nur ihren grünen Lederbeutel tragen musste. An der Tür wandte sie sich noch einmal um. Sie versuchte, den sorgenvollen Ausdruck in den Augen ihrer Mutter zu ignorieren. „Keine Sorge, ich lasse mir nicht wehtun. Du weißt doch, es geht nicht um Liebe,
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