Verfuehre niemals einen Highlander
den Mund, huschte fort und kümmerte sich eifrig um den Kessel mit dem Eintopf, der bereits einen köstlichen Duft verbreitete.
Dann nahm sie einen großen, flachen Stein und legte ihn aufs Herdfeuer. „Ein Backblech haben wir nicht“, erklärte sie, als sie Selinas verwunderte Miene sah. Sie schüttete Mehl in eine Schüssel und fügte Wasser und etwas Salz hinzu, vermischte alles, knetete es zu einem flachen, runden Laib und drückte ihn auf den heißen Stein. „Es geht ganz schnell.“
Selinas Magen knurrte laut.
Erstaunt sah das Mädchen sie an. „Sind Sie hungrig?“
Erst da fiel ihr ein, dass sie seit dem vergangenen Abend nichts mehr gegessen hatte, abgesehen von einem Happen Haferbrei am heutigen Morgen. Wie konnte sie um Essen bitten, wenn diese Leute selbst so wenig hatten?
„Ein Glas Wasser genügt mir“, sagte sie, nahm einen Becher vom Bord an der Wand und schenkte sich aus dem Krug auf dem Tisch ein. Das würde sie bis zum Abendbrot durchhalten lassen. Außer man würde hier dank eines wundersamen Umstandes schon früher essen.
Inzwischen hatte Marie Flora die Teigschüssel gereinigt.
„Und was nun?“, fragte Selina.
„Da sind Sachen zu flicken. Wenn Sie Lust haben, mir zu helfen? An den Kleidern von Papa und meinen Brüdern ist immer etwas zu reparieren.“
Selina lachte. „Das ist endlich etwas, das ich kann.“
Das Mädchen holte einen Korb hervor, dessen Inhalt eher an Lumpen als an Kleider erinnerte, doch als sie einzelne Teile herausnahm, sah Selina, dass es grobe, selbstgesponnene Hemden und Beinkleider waren, schon vielfach geflickt und gestopft. Sofort setzte sie sich und begann mit der Arbeit, und während sie gemeinsam saßen und nähten, bat sie Marie Flora, ihr die gälischen Worte der diversen Haushaltsgegenstände beizubringen. Dabei flog die Zeit nur so dahin.
Selina konnte sich nicht erinnern, wann sie sich je so wohl gefühlt oder einen so behaglichen Nachmittag verbracht hätte. Sie staunte immer noch über diese seltsame Zufriedenheit, als ein Geräusch draußen Marie Flora aufspringen ließ.
„Da kommt Vater zum Abendbrot.“ Sie packte ihre Näharbeit in den Korb, ließ sich von Selina das Hemd geben, dessen Manschette sie gerade geflickt hatte, und begann, den Tisch zu decken.
Selina ging zum Fenster und sah einen Mann vom Pferd steigen. Er war nicht in Uniform, dennoch beschleunigte sich ihr Herzschlag. War das jemand, der nach ihr und Ian suchte? Was sollte sie tun?
„Marie Flora, das ist nicht dein Vater.“
Das Mädchen trat ebenfalls ans Fenster. Es runzelte die Stirn. „Oh! Das ist Mr Tearny, der Landverwalter, der den Pachtzins eintreibt. Aber er kommt sonst nicht selbst.“
Tearny. Ein Angestellter ihres Vaters. War er nur zufällig hier?
„Der Laird und ich möchten nicht, dass bekannt wird, wo wir sind“, sagte Selina hastig.
Fragend schaute das Mädchen sie an.
„Bitte, Marie Flora, erwähne nicht, dass du uns gesehen hast“, bat sie und schlüpfte rasch in die Schlafkammer, wo sie gespannt lauschte, während das Kind dem Klopfen des Besuchers folgte und die Haustür öffnete. Leider drang nur die grollende Stimme des Mannes zu ihr hinein, was er sagte, blieb unverständlich. Ihr Herz schien ihren Brustkorb zu sprengen und hallte vibrierend in ihrem Körper wider. Hin- und hergerissen fragte sie sich, ob sie nicht einfach hinausgehen und Tearny bitten sollte, sie mit nach Hause zu nehmen.
Aber Ian ohne ein Wort des Abschieds im Stich lassen?
Nein, das brachte sie nicht über sich. Es wäre nicht richtig. Außerdem hatte sie keine Ahnung, wie man sie empfangen würde. Möglicherweise würde man sie wegen Schmuggelns ins Gefängnis werfen.
Kaum dass Marie Flora die Tür wieder geschlossen hatte, kam Selina aus ihrem Versteck. Die Kleine war kreidebleich und sah aus, als würde sie jeden Moment umfallen. Sie hielt ein Papier so vorsichtig vor sich hin, als könnte es beißen.
„Was ist das?“, fragte Selina.
Mit Tränen in den grünen Augen sah sie zu Selina auf. „Ich habe es nicht aufgemacht. Es ist für Pa, aber Tearny sagte, es ist die Kündigung.“
Selina sah das Siegel der Albrights auf dem Brief.
„Wieso das?“
„Wir haben dieses Quartal die Pacht noch nicht gezahlt. Pa brauchte ein wenig Aufschub.“
Selinas Magen verkrampfte sich. Worauf war ihr Vater aus? Es war Unrecht, Familien aus ihrem Heim zu vertreiben. Er mochte ehrgeizig sein, aber für grausam hatte sie ihn nie gehalten.
Erneut regte sich etwas vor
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