Verfuehre niemals einen Highlander
hatte, doch dafür war noch Zeit genug.
Sie lächelte ihren Gastgeber an. „Es tut mir leid, dass wir Ihnen eine solche Last sind, Mr McKinly. Uns ist klar, dass Sie uns nicht erwarteten. Wir möchten Ihnen auf keinen Fall Umstände bereiten.“
Die Höflichkeit in Person und keine spröden Manieren, nicht die atemlose Klein-Mädchen-Stimme, sondern schlichte Freundlichkeit, und das mit leichtem schottischen Akzent. Ian seufzte fast vor Erleichterung.
McKinly grinste. „Willkommen, Lady.“
Ians rasch getroffene Entscheidung hatte sich als richtig erwiesen. Als seine Frau verlor sie ihren Status als Engländerin, als Fremde. Als seine Frau war Unhöflichkeit ihr gegenüber Unhöflichkeit ihm gegenüber.
Ein etwa sechsjähriger Junge schob den Kopf zwischen den Beinen seines Vaters durch. „Ist das der Laird, Papa? Ja?“, fragte er auf Gälisch und guckte von da unten zu Ian auf.
„Oh“, meinte Selina. „Und wer ist das?“
„Mein jüngster Sohn. Tommy.“ Sein Vater schüttelte den Kopf. „Komm weg da, Junge. Lass mich vorbei. Wie kann der Laird ins Haus, wenn du den Weg versperrst?“
Der Kopf verschwand, und McKinly trat beiseite und zeigte einladend auf die Tür.
Ian verbeugte sich leicht vor Selina und bedeutete ihr voranzugehen.
„Danke, Mr McKinly“, sagte sie, als sie an dem Mann vorbei ins Haus ging, „es ist mir eine Ehre, Ihr Gast sein zu dürfen.“
Stolz wie nur einer folgte Ian ihr ins Haus, wo über einer niedrigen Feuerstelle, in der ein rauchendes Torffeuer brannte, ein großer Kessel hing. Der Raum war ärmlich, doch sauber. Der kleine Junge hockte sich neben das Feuer und zog ein Schnitzmesser samt einem Stück Holz aus seiner Tasche.
Ian beobachtete, wie Selina sich im Raum umsah. Ihre Miene war sorglos, doch er konnte sich vorstellen, was wirklich in ihr vorging.
Schuldgefühle zwickten ihn. Das hier war keine Unterkunft für eine Frau wie Selina, die an Luxus gewöhnt und für das gesellschaftliche Leben in London erzogen worden war. Als seine Ehefrau würde er ihr nur wenig Besseres als das hier bieten können.
Aber er würde alles tun, um sie glücklich zu machen.
„Ich freue mich, Sie wohlauf zu sehen, McKinly“, sagte er ein wenig zu herzlich, doch anscheinend blieb das unbemerkt.
„Sie haben Glück, mich hier anzutreffen“, erklärte McKinly, während er Whisky in kleine Tonbecher füllte. „Heute Nachmittag war ich nämlich im anliegendem Tal Heu machen.“ Er bot Selina einen Becher, die jedoch lächelnd den Kopf schüttelte. Verdutzt hob McKinly seine Brauen, sagte jedoch nichts.
Es gehörte sich nicht, die Gastfreundschaft des Mannes abzulehnen, daher bat Ian in schroffem Ton: „Trink einen Schluck mit uns, Frau.“
Zuerst schien sie widersprechen zu wollen, hielt sich dann aber zurück, als McKinly ihr den Becher erneut reichte und sich dann selbst einschenkte.
Während er ihnen den Rücken zukehrte, warf Selina Ian einen eisigen Blick zu. Bestimmt würde er später noch etwas zu hören bekommen. Doch Ian war froh, dass sie beschlossen hatte, damit zu warten, bis sie allein waren. Eine kluge Frau, zweifellos.
„Ich habe gar nichts davon gehört, dass Sie heiraten wollten, Laird?“, tastete McKinly sich neugierig vor. „Obwohl – wie hätte ich auch? Ich habe seit Wochen keinen Menschen mehr hier gesehen. Meine Glückwünsche!“ Er lächelte ein wenig grimmig. „Auch Ihnen, Lady. Bitte, setzen Sie sich doch.“
Steif lächelnd zog sie sich den hölzernen Stuhl heran. „Sie sind sehr freundlich, Mr McKinly.“
Marie Flora stellte sich neben sie und schaute bewundernd zu ihr auf. Ian kannte das Gefühl. Selbst hier in dieser elenden Umgebung und nach einer unter unmöglichen Bedingungen verbrachten Nacht sah sie reizend aus.
„Auf Sie und Ihre Braut!“, sagte McKinly.
Ian leerte seinen Becher auf einen Zug. Selina nippte zierlich. Tränen schossen ihr in die Augen. Aber wenigstens hustete und keuchte sie nicht.
Während ihr Gastgeber sich umwandte, um die Becher erneut zu füllen, nahm Ian ihr den Rest ab und schüttete ihn hinunter, was ihm ein dankbares Lächeln von ihr einbrachte. Den zweiten Becher, den McKinly ihr anbot, lehnte sie freundlich ab.
Der Mann bot Ian einen Platz am Tisch an, auf der groben Bank ohne Lehne, und fragte munter: „Warum wandert unser Laird denn zu Fuß durch die Hügel?“
„Zöllner“, entgegnete Ian prompt. Er brauchte keine Ausrede, denn alle Highland-Bewohner verachteten die Zollfahnder des
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