Verführer der Nacht
so dicht gewebt, dass selbst ein dünner Dunststreifen nicht hindurchgelangen konnte, ohne die seidigen Fäden zu zerstören. In einer Ecke des Netzes kauerte eine sehr kleine Spinne.
Die Jäger wurden wieder zu Karpatianern und studierten das Gewebe des dichten Spinnennetzes. Es sah zart und seidig aus, ein fragiles Kunstwerk, aber Rafael spürte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten.
»Hast du so etwas schon einmal gesehen?«, fragte Vikirnoff mit einem wachsamen Blick auf die harmlos wirkende Spinne.
Rafael trat näher und bückte sich, um die Fasern näher zu begutachten. Sie schienen zu einem normalen Netz zu gehören, aber es gab keine Löcher, und das Gebilde erinnerte nicht an durchbrochene Spitze. Die Struktur war fest und engmaschig. Er schaute die kleine Spinne an, um die Gattung zu bestimmen. Sie starrte zurück. Ihre Blasenaugen zwinkerten, und plötzlich entdeckte Rafael in ihnen abgrundtiefe Bosheit und Intelligenz. Es war Kirja, der ihn hasserfüllt anstarrte.
Rafael sprang zurück und riss Vikirnoff mit sich, als die winzige Spinne zu Tausenden Spinnen zerbarst, die alle mit gebleckten Giftzähnen auf sie zurasten. Rafael setzte die Tiere schnell in Brand, jedoch nicht bevor es einigen von ihnen gelang, ihre giftigen Hauer in seine und Vikirnoffs Arme und Beine zu schlagen. Die Bisse ließen geschwollene, blutige Wunden zurück, von denen sich das Gift rasend schnell ausbreitete und sich durch Fleisch und Muskelgewebe fraß.
»Er weiß eindeutig, dass wir Jagd auf ihn machen«, sagte Rafael, während er das Gift durch seine Hautporen austreten ließ. Vikirnoff tat dasselbe. »Jeder Schritt, den wir jetzt machen, ist gefährlich. Kirja ist nicht nur gut im Erschaffen von Trugbildern, sondern auch ein Meister im Mutieren von Arten.« Er verbrannte die letzten verbliebenen Spinnen.
Vikirnoff nickte grimmig. »In all den Jahrhunderten des Kampfes gegen die Untoten ist mir noch nie ein so mächtiger Vampir begegnet. Ich glaube, er ist stark genug, jeden von uns zu töten, wenn wir einzeln gegen ihn antreten.«
»Ich fürchte, du hast recht«, erwiderte Rafael.
Sie begannen, dem Tunnel zu folgen, der in einem schrägen Winkel verlief und sie immer tiefer unter die Erde führte. Vorsichtig machten sie einen Schritt nach dem anderen und setzten alle ihre Sinne ein, um drohende Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Die Holzbalken über ihren Köpfen waren morsch und verrottet. Auch die Träger, die die Deckenbalken stützten, zeigten gefährliche Zeichen des Alters. Ein alter Karren lag halb verschüttet auf der Seite, und überall auf dem Boden waren vergessene, staubige Werkzeuge verstreut.
»Warum habe ich das Gefühl, in die Hölle hinabzusteigen?«, fragte Rafael mit gesenkter Stimme.
»Weil wir genau das tun«, antwortete Vikirnoff. »Was ist das für ein Geräusch?«
Rafael schaute den anderen Jäger an. »Klingt nach Bergarbeitern.«
Als sie um eine Ecke bogen, sahen sie ein Dutzend Männer mit Spitzhacken die Wände des Schachts bearbeiten. Mehrere Laternen hingen am Deckenbalken und warfen ein schwaches, gelbliches Licht auf die Arbeiter. Vikirnoff und Rafael beobachteten, wie zwei Männer eine schwere, mit Erz gefüllte Lore auf die brüchigen Schienen schoben. Niemand schien die beiden Karpatianer zur Kenntnis zu nehmen.
Die Jäger sahen einander an. »Es muss ein Trugbild sein«, sagte Vikirnoff.
Keiner der Bergarbeiter drehte sich beim Klang seiner Stimme um. Die Männer arbeiteten beharrlich weiter, und das Geräusch ihrer Hacken hallte im Schacht wider.
»Sie tragen moderne Kleidung«, machte Rafael seinen Begleiter aufmerksam. Er betrachtete die Szene, die er vor sich sah, und suchte nach der verborgenen Falle, von der er wusste, dass sie irgendwo sein musste.
»Möglicherweise will er uns aufhalten, indem er dafür sorgt, dass wir unseren Sinnesorganen nicht mehr trauen.«
»Wie hat er sie in Bewegung gesetzt?«, wollte Rafael wissen. »Wenn sein Trugbild imstande ist, Felsen zu zerschlagen, kann es auch uns zerschlagen.«
Immer noch schlugen die Spitzhacken stetig auf das Gestein. Vikirnoff griff den Rhythmus auf und trommelte ihn mit einem Finger auf seinem Bein. »Hörst du das? Hat es irgendetwas mit dem Rhythmus auf sich?«
Rafael duckte sich und studierte die Szene aus jedem Blickwinkel. »Könnte sein. Er trickst mehr als nur einen der Sinne aus. Sehkraft, Geruchssinn, Gehör. Er hat seine Sache fantastisch gemacht.« Bewunderung schwang in seiner Stimme mit. »Schau
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