Verführer der Nacht
sie einen Schritt zurück und legte eine Hand an ihren Hals, um das Mal zu bedecken, das hektisch pochte.
Er schüttelte langsam den Kopf. »Nein, Colby, dass du so empfindlich auf die Sonne reagierst, liegt nicht an dem Feuer. Ich habe dich teilweise in meine Welt geholt, und ich habe keine andere Wahl, als dich ganz hineinzubringen.« Er sagte es ganz ruhig, unnachgiebig, unwiderruflich. Seine schwarzen Augen fixierten sie wachsam.
Sie behauptete sich tapfer, indem sie ihn unverwandt ansah. »Und du glaubst, ich lasse das einfach mit mir machen?«
Ihre Worte waren leise und sanft wie der Abendwind, aber sie waren eine Drohung, die erste richtige Drohung, die Colby je im Leben ausgesprochen hatte. »Ich liebe meine Geschwister. Ich werde nie zulassen, dass du mich aus ihrer Nähe entfernst. Ich hoffe, wir haben einander verstanden.«
Er nickte. Seine Augen waren sehr dunkel und sehr leer. »Du hast große Gaben, Colby, doch du machst dir keinen Begriff von meiner Macht. Ich meine es wörtlich, wenn ich sage, dass ich keine andere Wahl habe. Du hast keine Ahnung, wie stark der Zugriff der Dunkelheit ist, die leisen Einflüsterungen nach mehr Macht. Der Drang, etwas zu fühlen. Einfach nur Gefühle zu haben. Eine Kleinigkeit, die alle Menschen für selbstverständlich halten. Ich dachte, etwas Schlimmeres gäbe es nicht, aber das stimmt nicht. Emotionen überfluten mich; ich kann nicht in der Erde Ruhe finden, weil du hier oben bist und meine Seele nach dir schreit. Ich habe keinen Halt. Ich kann nicht mehr lange durchhalten. Es steht zu viel auf dem Spiel.«
Sie streckte ihr Kinn vor. »Zugegeben, ich weiß nicht genau, wovon du sprichst, Rafael, doch darauf kommt es auch nicht an, verstehst du? Es geht weder um dich noch um mich, sondern einzig und allein um Ginny und Paul.«
Seine weißen Zähne blitzten warnend in der Dunkelheit auf. »Du glaubst, ich würde dir erlauben, unser Leben gegen ihres einzutauschen?« Seine Stimme war sehr, sehr leise.
Ihr Herz pochte schmerzhaft, und einen Moment lang bekam sie kaum Luft. Bedrohte er tatsächlich ihre Geschwister? Hier draußen in der Dunkelheit schien er unbesiegbar, und sie wusste nicht einmal, was er war und wozu er imstande war. Sie spürte die Macht, die von ihm ausging und die Luft vibrieren ließ. »Was soll das heißen, Rafael? Ich mag keine Rätsel.«
Seine Hand näherte sich ihrem Gesicht. Colby trat zurück, bevor seine Finger über ihre Haut streichen konnten und seine Berührung sie dazu verführte, alles, aber auch alles zu akzeptieren. Rafaels Hand sank nach unten. »Ich bin außerstande, diesen Kindern wehzutun«, sagte er mit einer Stimme, die leise, aber scharf wie ein Peitschenknall war. »Sie sind ein Teil von dir. Ich habe ihnen meinen Schutz angeboten. Du willst in mir deinen Feind sehen, obwohl der wahre Feind ganz woanders ist.«
Den Wind in den Haaren, stand Colby regungslos da. Ihr Herz war schwer wie ein Stein. War es sein Schmerz oder ihrer? Colby war sich nicht sicher, ob es nicht ein und dasselbe war. »Tut mir leid, Rafael.« Sie fuhr sich unsicher mit einer Hand durchs Haar. »Ich scheine den Boden unter den Füßen zu verlieren, und ich weiß wirklich nicht mehr, was ich glauben soll.« Sie umschloss mit einer Handbewegung die Berge, die sie umgaben. »Das ist meine Welt: die Ranch, die Kinder. Meine ganze Welt. Was mit uns beiden passiert, ist beängstigend. Ich benehme mich in deiner Gegenwart anders. Das bin nicht ich. Du musst das verstehen. Ich bin nicht die, die du willst.«
Er lächelte sie sanft und liebevoll an. »Colby.« Ihr Name wehte wie ein leiser Klagelaut durch die Nacht. »Ich habe fast zweitausend Jahre auf dich gewartet. Nur auf dich. Ohne Hoffnung, ohne Farben oder Empfindungen. Ich kann in diese trostlose Welt nicht zurückkehren. Du stehst hier vor mir, und unsere Zeit ist jetzt. Ich werde mir das nicht durch die Finger rinnen lassen. Du machst dir keine Vorstellungen von dem Monster, zu dem ich ohne dich werden kann. Du spürst, dass es auf der Lauer liegt, beobachtet, sogar wartet, aber du kannst seine Macht nicht erfassen.«
»Du bist imstande, mich mit deiner Stimme praktisch zu hypnotisieren.«
»Ich sehe keinen Grund, das zu leugnen. Ich habe dich nicht mit meiner Stimme verführt. Du bist meine andere Hälfte, das fühlst du – das weißt du.« Jetzt bewegte er sich, glitt lautlos dahin wie ein Raubtier, schlang seine Arme um sie und senkte seinen dunklen Kopf, bis sein Mund den ihren heiß,
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