Verführerische Maskerade
ihre blanke Wut bemerkte, während sie die Treppe hinunterkam und Tristan und Isolde noch immer an sich klammerte. Ihre Stimme klang kalt, und ihre weichen Gesichtszüge hatten sich ziemlich verhärtet. Die zärtliche Liebhaberin, die im Morgengrauen zu ihm ins Bett geschlüpft war, schien es nicht mehr zu geben.
»Was ist los?«, wollte er wissen.
»Das weißt du sehr genau«, verkündete Livia. »Sollen wir in die Bibliothek oder in den Salon gehen?«
Er schüttelte den Kopf. »Das ist mir vollkommen gleichgültig. Denn ich habe keine Ahnung, was eigentlich passiert ist. Ich kann es also getrost dir überlassen, den passenden Ort auszusuchen.«
Livia warf ihm einen scharfen Blick zu. War es wirklich möglich, dass er keine Ahnung hatte, worüber sie sich aufregte? Sie wandte sich zum Salon, öffnete, ließ die Hunde in das Zimmer und schloss die Tür fest hinter ihnen. »Wir reden in der Bibliothek.«
»Wie du meinst«, bekräftigte er und nickte höflich. »Bitte, hier entlang …« Er bedeutete ihr voranzugehen.
Livia marschierte so entschlossen in die Bibliothek, dass ihr der grüne Crêpe des Vormittagskleides um die Knöchel wirbelte, und drehte sich gleich zu ihm, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Ich bin der Meinung, dass wir uns darauf verständigt hatten, uns darüber auszutauschen, wie wir das Personal einsetzen«, begann sie ohne Umschweife. »Und doch muss ich erfahren, dass Boris meinen Leuten mitgeteilt hat, ihre Dienste seien in diesem Haus nicht länger erwünscht. Sie seien zu alt, um sich in den neuen Haushalt einzufügen, und sollten sich vom Acker machen.« Ihre Stimme zitterte, als sie noch wütender wurde. »Und du bist nicht einmal so höflich, wenigstens so zu tun, als ob du dich mit mir besprechen wolltest!«
»Oh, meine Liebe«, murmelte Alex. »Sollte Boris tatsächlich solche Dinge zu Morecombe gesagt haben, und davon bin ich keineswegs überzeugt, dann hat er nur meine Befehle ausgeführt. Ich hatte angenommen, dass der Alltag ohne die drei für dich wesentlich bequemer wird.«
»Du erwartest allen Ernstes von mir, dass ich Sophias Dienstboten auf die Straße setze?« Livia starrte ihn entsetzt an. »Alex, ich habe dir ausführlich erklärt, dass ich nicht gegen Sophias Letzten Willen verstoßen werde.«
Er seufzte. »Im Grunde genommen erwarte ich nicht einmal, dass du sie rauswirfst. Aber ich erwarte, dass du mir einen Kompromiss anbietest. Irgendeine Lösung, die es ihnen ermöglicht hierzubleiben, wenn sie es wünschen, ohne sich in die Arbeit in meinem Haushalt einzumischen.«
»In deinem Haushalt?« Livia atmete tief durch und versuchte mühsam, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Und was ist mit meinem Haushalt? Ich bin hier die Herrin.«
»Ja, das bist du ganz sicher«, bestätigte er gelassen. »Aber ich bin der Hausherr. Und als solcher bin ich der Haushaltsvorstand.«
Livia rann ein kalter Schauder über den Rücken. Sie schloss die Augen und zwang sich, sich die warnenden Worte ihres Vaters ins Gedächtnis zu rufen … jetzt erst begriff sie, dass er sie tatsächlich hatte warnen wollen. Aber was würde sie gewinnen, wenn sie sich auf ein würdeloses Wortgefecht einließ? »Erkläre es mir bitte«, fuhr sie fort, nachdem sie ihre Stimme scheinbar wieder im Griff hatte, »ob es bei dir zu Hause üblich ist, dass der Ehemann rücksichtslos über die Wünsche seiner Frau hinwegtrampelt. Nur damit ich in Zukunft gewappnet bin.«
Alex’ Augen glitzerten amüsiert. »Nun, meine Liebe, lass dir sagen, dass es ebenso üblich wie erwünscht ist. Übrigens hat die russische Kirche in allen Einzelheiten festgelegt, wie ein Mann seine renitente Ehefrau zu bestrafen hat.«
»Mach dich nicht lächerlich«, widersprach Livia verunsichert.
»Es ist wahr«, beteuerte er. Es war nicht mehr zu übersehen, dass er sich prächtig amüsierte. »Aber ich bin nur zur Hälfte Russe. Also bin ich auch nur zur Hälfte geneigt, solchen Vorschlägen zu folgen.«
»Ich finde die Angelegenheit nicht besonders amüsant«, behauptete Livia, »und verstehe nicht, wie du darüber lachen kannst.«
»Ich lache, weil du wütend geworden bist. Und ich bin mir sehr, sehr sicher, dass es weder dir noch mir gut tun würde, wenn ich auch wütend werde.« Alex streckte ihr die Hände entgegen. »Komm schon, Livia. Lass uns darüber nachdenken, ob wir nicht doch noch einen Kompromiss finden können.«
Sie zögerte. Sei vernünftig, flüsterte ihre innere Stimme, du wirst nichts
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