Verführerische Maskerade
Bereich immer als heilig betrachtet. Aber jetzt hatte sie keinerlei Hemmungen mehr und klopfte heftig an die Tür.
»Wer ist da?«, raspelte Morecombes Stimme von innen.
»Ich bin es, Morecombe. Lady Livia.«
Die Tür öffnete sich einen winzigen Spalt. »Oh, Sie sind’s«, grüßte der alte Butler wie üblich, wenn er für sie öffnete, wie üblich blickten seine wässrigen Augen eine Spur misstrauisch, und wie üblich öffnete er die Tür ein paar Zentimeter weiter.
»Darf ich hereinkommen?«, bat sie.
»Lass die Frau rein, Morecombe.« Ada griff nach der Tür und öffnete sie sperrangelweit. »Kommen Sie nur. Wir wollen mit Ihnen reden.«
»Ja, ich kann Sie gut verstehen«, sagte Livia und trat ein. Sie stand in einem Salon, der höllisch heiß war. Ein riesiges Feuer loderte den Schornstein hinauf. Über dem Feuer war an einer Kette eine Querstange mit einem Haken angebracht, in dem ein Kessel hing. Der Salon war mit Möbeln vollgestopft, mit Nippes, Porzellanfiguren und zahllosen Kissen. Livia erschrak, so wenig konnte sie sich vorstellen, dass der einsilbige Morecombe und die blassen hageren Zwillinge hier wohnten.
»Was für ein hübscher Salon«, brachte sie schließlich hervor.
»Sieht so aus, als könnten Sie eine Tasse Tee gebrauchen«, lud Mavis ein, die mit der Hauskatze Puss in einer schattigen Ecke saß. Die Katze jaulte empört und sprang von ihrem Schoß, als Mavis sie von ihrer Schürze scheuchte und aufstand.
»Danke«, meinte Livia aufrichtig, beugte sich hinunter und streichelte die Katze, die jetzt ihr um die Knöchel strich. »Puss, wie geht es dir?«
»Ganz gut«, antwortete Ada knapp, ging zur Anrichte und nahm ein paar Tassen vom Haken, während Mavis Wasser in einen Topf goss.
»Es tut mir sehr leid«, begann Livia, »ich habe keine Ahnung, was man Ihnen erzählt hat … was hier nach meiner Abreise geschehen ist.«
»Wir sind hier nicht mehr erwünscht«, sagte Morecombe, »hat dieser Boris mir jedenfalls direkt ins Gesicht gesagt. Vor knapp einer Stunde. Zu alt. Passen nicht zur Lebensart des neuen Herrn. Wir stören. Sollen uns vom Acker machen. Ja, das hat er gesagt.«
»Aber es ist nicht recht, Lady Livia«, fügte Ada hinzu. »Lady Sophia hat es in ihrem Letzten Willen ganz klar gesagt. Wir können hier so lange arbeiten, wie wir wollen.«
»Ja, ich weiß.« Livia setzte sich auf die Kante eines Stuhls. »Danke, Mavis.« Sie nahm die Teetasse. »Bis jetzt hatte ich noch keine Gelegenheit, mit Prinz Prokov darüber zu sprechen. Aber ich verspreche Ihnen, dass ich die Angelegenheit klären werde.« Sie nippte an ihrem Tee.
»Also, ich koche nicht, solange dieser Franzose sich in der Küche herumtreibt«, erklärte Ada, »es ist meine Küche. Schon immer gewesen. Meine Küche und Mavis’.«
»Aye«, stimmte Mavis zu. »War gut genug für Lady Sophia. Nehme an, dass sie für diesen Ausländer auch gut genug ist.«
Zufällig bin ich mit diesem Ausländer verheiratet. Aber Livia hielt ihre Zunge im Zaum. »Ich glaube kaum, dass mein Mann die Lage begreift … die ganze Geschichte …«, stieß sie hervor. »Ich werde mit ihm sprechen, sobald sein Besuch fort ist. Ich bin mir sicher, dass wir eine Lösung finden werden, mit der alle zufrieden sein können.« Sie trank ihren Tee aus und stellte die Tasse auf den Tisch. »Geht es Jemmy und Hester gut?«
»Oh, aye, sind dumm wie Bohnenstroh, die beiden«, polterte Morecombe und blies seinen Atem kühlend auf den heißen Tee. »Wissen nicht, wo oben und wo unten ist. Machen, was man ihnen sagt.«
»Dann ist es gut.« Livia erhob sich. »Wir werden uns weiter unterhalten, wenn ich mit meinem Mann gesprochen habe. Ich bin mir sicher, dass es sich nur um ein Missverständnis handelt.«
»Glaub ich zwar nicht«, widersprach Mavis, »aber wenn Sie es klären können, freuen wir uns.« Sie lächelte, was nur selten vorkam. »Und wie machen sich die Babys? Geht es dem kleinen Stevie wieder gut?«
»Oh, es geht ihnen allen gut«, versicherte Livia, »und Stevie kann sich an sein Unglück kaum noch erinnern.«
»Gott sei Dank.« Ada öffnete ihr die Tür. »Wir hören dann später von Ihnen, nicht wahr?«
»Ja, natürlich.« Livia lächelte ermutigend, wie sie hoffte, und kehrte in das Haupthaus zurück. Sie war verärgert, aber auch ein wenig verwirrt. Wie hatte Alex es wagen können, solche Anordnungen zu geben, ohne sie vorher um ihre Meinung zu fragen? Zugegeben, das Personal war sehr unterschiedlich. Aber sie hatten sich
Weitere Kostenlose Bücher