Verführerische Maskerade
nichts übrig, als sie immer weiter zu täuschen, wenn er sie beschützen wollte. Nur so hatte Livia die Möglichkeit, das Leben fortzusetzen, an das sie sich gewöhnt hatte. Und dieses Leben konnte sich durch die Ehe, durch ihren Adelstitel und seinen Reichtum nur noch verbessern. Also handelte es sich in der Tat um eine verzeihliche Täuschung. Alex musste nur eines tun: die andere Seite seiner Existenz vor ihr verbergen. Selbst wenn sie unwissentlich ihre Rolle darin spielte. Ein fairer Tausch?
Livia lächelte durch ihre transparenten Gazeschleier, als sie bei ihm angekommen war. Alex wirkt ungewöhnlich angespannt, dachte sie spontan, aber schließlich ist der Schritt in die Ehe für ihn genauso groß wie für mich.
Livia hatte keinerlei Zweifel, obwohl es sie überrascht hatte, dass sie morgens glücklich und voller Aufregung erwacht war. Vielleicht ist es verrückt, dachte sie weiter, dass ich mein Leben einem Mann anvertraue, den ich kaum kenne. Nur weil es sich richtig anfühlt … nur weil allein beim Gedanken an ihn ihr Herz jubelte und das Blut heiß durch ihre Adern pulsierte. Sie konnte sich nichts anderes vorstellen, konnte sich nicht denken, wie sie sich anders hätte entscheiden sollen.
Alex erwiderte ihr Lächeln. Sie spürte, wie seine Anspannung sich verflüchtigte, und vermutete, dass er vielleicht angenommen hatte, sie hätte es sich noch einmal anders überlegt.
Die Orgelmusik war langsam verklungen, und Reverend Lacey begann mit seiner Predigt. Seine sonore Stimme drang in den letzten Winkel der alten Kirche, deren Decke von dicken Balken durchzogen war. Die winterliche Sonne schien durch die bleigefassten bunten Glasfenster und tauchte die Hochzeitsgesellschaft in sanfte Farben.
Als die Zeremonie zu Ende ging, reichte Livia ihr Bouquet aus weißen Rosen an Cornelia weiter und zupfte sich den Handschuh von der linken Hand. Alex schob ihr den schmalen goldenen Ring auf den Finger und hielt ihre Hand einen Moment lang fest. Dann war es vorbei.
Der Pfarrer erklärte sie zu Mann und Frau, trat einen Schritt nach vorn und hob den Schleier vom Gesicht seiner Tochter. »Sie dürfen die Braut jetzt küssen.«
Alex hauchte ihr einen Kuss auf den Mund, und Livia jubelte innerlich. Es kam ihr vor, als würde ihr Leben an diesem Tag ganz neu beginnen. Obwohl sie wusste, dass die Vorstellung reichlich naiv war, sah sie die Zukunft wie eine sonnige Straße vor sich, die über und über mit Rosen bestreut war. Naiv, dachte sie, ja, das stimmt. Na und? Schließlich ist heute mein Hochzeitstag.
Beim Glockenklang verließen sie die Kirche, und im Kirchgarten brandete der Applaus auf. Es machte den Eindruck, als wäre die gesamte Gemeinde erschienen, um die Hochzeit der Pfarrerstochter zu feiern. Es regnete Reiskörner, und als das Brautpaar für kurze Zeit vor den Türen der Kirche stehen blieb, glitzerte das Sonnenlicht so stark auf dem Schnee, dass Livia blinzeln musste. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Sie stellte fest, dass es ihren Freundinnen nicht anders erging. Denn auch in deren Augen schimmerten die Tränen. Eine Windböe zerrte an ihrem Schleier. Alex schob ihn hinter ihre Ohren.
»Wir sollten besser aus dem Wind gehen, bevor du davonfliegst«, murmelte er, und Livia lachte leise.
Das Pony und die Kutsche des Pfarrers waren zu Ehren der Hochzeit mit weißen Bändern geschmückt. Das Gefährt wartete nahe dem Tor. Alex und Livia schritten durch das Spalier der Gäste. Die Gesellschaft applaudierte und ließ wieder Reis auf das Brautpaar regnen. Alex half Livia in die Kutsche, hob ihre Schleppe hinein und arrangierte den Stoff auf einem Haufen zu ihren Füßen. Dann setzte er sich rasch neben sie.
»Eigentlich würde ich jetzt gern mit meiner Braut allein sein«, flüsterte er, fuhr mit der Fingerspitze zart über ihre Wange und wandte sich an den Burschen, der das Pony festhielt. »Geben Sie mir die Zügel. Ich fahre. Sie können zu Fuß gehen.«
»Gern, M’lord.« Der junge Kerl sprang herunter. »Ich laufe schon mal voraus.« Hastig entfernte er sich.
Alex schnalzte mit der Zunge. Das Pony zog die Kutsche schwerfällig den Weg entlang zum Pfarrhaus. Die Hochzeitsgesellschaft folgte zu Fuß.
»Ich wünschte, ich hätte meine eigene Kutsche mitbringen dürfen«, bemerkte Alex. »Diese Equipage ist wirklich nicht besonders schneidig.« Er klatschte mit den Zügeln auf den Rücken des Ponys, um es zu einem schnelleren Schritt zu ermutigen. »Denn mein Gefährt ist …«
»… so
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