Verführerische Maskerade
Salontür. Tristan und Isolde rasten zwischen seinen Beinen hindurch in die trügerische Freiheit der großen Halle. »Vielleicht sollten wir Morecombe die alleinige Verantwortung für die beiden Geschöpfe überlassen«, schlug er vor und hoffte, ironisch zu klingen.
»Er macht vielmehr den Eindruck, dass er sich auch über sie ärgert«, widersprach Livia und hoffte ebenfalls, ironisch zu klingen. »Aber im Grunde genommen scheint er sie zu mögen. Und sie ihn.«
»Sieht so aus, als könnten wir so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen«, meinte Alex und begleitete sie hinaus auf die Straße. »Am besten, ich bringe dich jetzt zurück in die Mount Street.«
Alex begleitete Livia ins Haus, verabschiedete sich mit einer Kusshand und versprach, zum Dinner wieder bei ihr zu sein. Dann machte er sich eilig auf den Weg zum Piccadilly. Dort stieg er in eine Droschke und dirigierte den Kutscher zur Half Moon Street, wo sich Tatarinovs Wohnung befand.
In der engen Gasse zahlte er die Droschke und betrachtete das große Haus, in dem Tatarinov sich zwei Zimmer gemietet hatte. Der Mann hatte keinerlei Interesse an Reichtümern und lebte ein ganz anderes Leben als die anderen Männer der kleinen Verschwörung. Aber Tatarinov ist schließlich auch aus einem anderen Holz geschnitzt, überlegte Alex und klopfte.
Tatarinov hatte sich Constantin Fedorovsky vorgestellt, als der auf der Reise nach London gewesen war. Tatarinovs Referenzen waren tadellos; die Empfehlungsschreiben kamen direkt von jener kleinen Gruppe Revolutionäre, die den Nachrichtenfluss aus St. Petersburg kontrollierten. Seine Kompetenz stand außer Frage. Obwohl seine Manieren recht ungehobelt waren, hatten Alex und seine Leute ihn in ihren Reihen eher dankbar willkommen geheißen als unter Verdacht gestellt. Aber jetzt war Alex sich nicht mehr sicher, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatten.
Er schlug zum zweiten Mal mit dem Klopfer auf das Türholz. Es dauerte noch ungefähr eine Minute, bis knarrend geöffnet wurde und ein junges Dienstmädchen durch den Spalt lugte. »Ja, Sir?«
»Ist Monsieur Tatarinov zu Hause?«, fragte Alex freundlich.
»Aye, Sir. Soll ich ihm sagen, wer ihn besuchen will?«
»Nein. Lassen Sie mich nur herein.« Alex stieß die Tür weit auf und trat in die kleine Halle. »Wo kann ich ihn finden?«
»Oben die zweite Tür, Sir.« Das Mädchen zeigte die Treppe hinauf in das dunkle Obergeschoss des Hauses.
Alex bedankte sich mit einem Kopfnicken, nahm zwei Stufen auf einmal, klopfte lautstark gegen die genannte Tür und wartete, während er das schmale Guckloch im oberen Drittel des Türblatts beobachtete. Es drang kein Geräusch durch die Tür nach draußen, aber er entdeckte eine Pupille am Spion. Dann knarrte der Schlüssel im Schloss, und es wurde geöffnet.
»Was führt Sie hierher, Prinz?«, fragte Tatarinov und musterte den Besucher mit ausdruckslosem Blick.
Alex spielte mit Daumen und Zeigefinger über den silbernen Knauf seines Spazierstocks. Der scheinbar gewöhnliche Stock verwandelte sich in einen tödlichen Dolch, wenn er mit dem richtigen Druck auf die Feder presste, die in ihn eingelassen war. Er glaubte zwar nicht, dass er die Waffe brauchen würde; aber besser, man war vorbereitet.
»Ich möchte wissen, was Sie heute Nachmittag am Cavendish Square zu suchen hatten«, fragte er ohne weitere Einleitung. »Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich observiert werde. Aber trotzdem hätte ich niemals geglaubt, dass ich Sie zu den Spionen zählen müsste, Tatarinov.«
»Ah.« Der Mann nickte, trat zurück und hielt die Tür auf. »Kommen Sie besser herein.«
Alex betrat das Wohnzimmer. Im Kamin brannte ein Feuer, das übel riechenden Qualm absonderte. Drei Talglichter auf dem Sims erhellten den Raum.
»Sie sind anderes gewohnt, nicht wahr, Prinz?« Tatarinov lachte kurz. »Nicht alle Revolutionäre leben wie Sie. Auf Rosen gebettet.« Er ging zum Tisch hinüber, griff nach der Wodka-Flasche und füllte zwei Becher. »Trinken Sie mit mir«, forderte er seinen Besuch auf und streckte ihm das Glas entgegen.
Alex überlegte kurz, ob er ihn mit einem höhnischen Kommentar in die Schranken weisen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Er nahm das Glas und leerte es in einem einzigen Zug. Tatarinov nickte zustimmend, machte es ihm nach, schenkte dann zum zweiten Mal ein und stellte die Flasche auf den Tisch zurück.
»Soll das heißen, dass Sie die Observation enttarnt haben?«
»Ich bin mir bewusst, dass
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