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Verführerische Unschuld

Verführerische Unschuld

Titel: Verführerische Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CHRISTINE MERRILL
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dem ab, was ich mir sowieso vorgenommen hatte. Ich mag es nur nicht, wenn man mich herumkommandiert.“ Die Antwort seines Bruders vorwegnehmend, fügte er hinzu: „Allerdings ist mein Widerstreben nicht so groß, dass ich über die Stränge schlagen werde, nur um dich zu reizen. Ich bin keine fünf mehr, Marcus, nicht einmal mehr fünfundzwanzig. Wenn du mich nicht wie ein verwöhntes Kind behandelst, werde ich mich auch nicht so verhalten.“
    Ein kurzes Schweigen entstand, das das raue Lachen seines Bruders beendete. „Gut denn, du kannst bleiben.“ Der Duke schritt auf das Haus zu und ließ Radwell allein in der Dunkelheit zurück.

7. KAPITEL

    Wie jeden Morgen war das Frühstück auf Haughleigh überreichlich, und Esme musste sich wieder einmal dankbar sagen, wie gut es ihr hier ging. War der gestrige Ball auch nicht ihr höchster Triumph gewesen, so hatte sie ihn doch genossen wie kaum sonst etwas. Dank Miranda hatte sie großartig ausgesehen und unzählige Komplimente geerntet und war bei diesem grandiosen Ereignis die Hauptperson gewesen.
    Einen Heiratskandidaten hatte sie allerdings nicht gefunden, wie Miranda wohl gehofft haben mochte, aber da es ihr erster Auftritt in der Gesellschaft war, hatte man damit kaum rechnen können.
    Doch sie hatte ihren ersten Kuss empfangen. Bei dem Gedanken daran schlug ihr Herz schneller. Wie wahrhaft berauschend das gewesen war! Seine Lippen auf den ihren, seinen Körper an ihren geschmiegt, ganz wie sie es sich immer vorgestellt hatte. Wenn sie nur den letzten Augenblick vergessen könnte, die Beschämung, als Radwell sie verlachte und fortschickte, dann wäre es der herrlichste Abend ihres Lebens gewesen.
    Verstohlen schaute sie ihn an. Er wirkte völlig übernächtigt. Wenn er schon nicht den Anstand besaß, sie in Frieden zu lassen, oder bereit war, fortzusetzen, was er begonnen hatte, oder zumindest die Güte hatte, ihr abzuwinken, ohne beleidigend zu sein, dann – sie lächelte boshaft in sich hinein – geschah es ihm zumindest recht, am nächsten Morgen so auszusehen wie jetzt gerade. Bestimmt hatte er übermäßig getrunken, denn seine Augen waren rot umrändert, seine Hände zitterten, und wenn Porzellan oder Besteck klirrte, zuckte er schmerzhaft zusammen.
    Bewusst ließ sie ihre Gabel auf den Teller fallen und sah mit Befriedigung, wie er gepeinigt die Augen schloss.
    Der Duke blätterte die Post durch und reichte ihr einen Brief. „Miss Canville, von Ihrem Vater; sicher erkundigt er sich nach Ihrem Befinden.“
    „Danke, Euer Gnaden.“ Befriedigt nahm sie zur Kenntnis, dass sie das Siegel ohne verräterisches Zittern zu öffnen imstande war.
    Meine liebe Tochter,
    dieses Schreiben findet dich hoffentlich bei bester Gesundheit.
    Die unschuldig klingenden Worte strömten Gift aus, und sie hörte förmlich die Stimme ihres Vaters. Rasch nahm sie einen Schluck Tee, denn ihr Mund wurde ganz trocken.
    Zweifellos verleitete dich eine kindische Grille, mitten in der Nacht dein Vaterhaus zu verlassen. Glaubst du, den Verpflichtungen entkommen zu können, die dir auferlegt sind? Je eher du sie akzeptierst, dein törichtes Gebaren ablegst und heimkehrst, umso besser wird es für dich und umso leichter für uns beide sein. Du weißt, ich mag es nicht, wenn man mich warten lässt.
    Esme durchlebte aufs Neue, was geschehen war, als sie ihm das letzte Mal getrotzt hatte. Er hatte Freunde zum Dinner eingeladen, und da sie unter einer Migräne litt, entzog sie sich der Pflicht, an der Tafel zu sitzen. Sie hatte alle Vorbereitungen aufs Beste getroffen, deshalb war ihre Anwesenheit völlig unnötig, denn ihre Gegenwart wurde von den älteren Herren, die ihr Vater zu bewirten pflegte, so gut wie nie zur Kenntnis genommen. Dennoch bestand er darauf, beim Essen zu erscheinen, und als sie, von Kopfweh und Übelkeit geplagt, seine wiederholte Aufforderung, hinunterzukommen, ignorierte, kam er hinauf zu ihrem Zimmer. Leise, aber ernst redete er ihr durch die geschlossene Tür zu. Er wäre niemals laut geworden, um sich vor den Gästen nicht zu blamieren. „Esme, mach es uns nicht so schwer, du kennst meinen Zorn, wenn ich die Geduld verliere.“
    „Vater, es tut mir leid. Mir geht es sehr schlecht, ich kann nichts essen.“
    Seine Stimme wurde drängender, als er sie mahnte, dass ihr Zustand sie nicht vor Strafe schützen werde, bis er schließlich zu zählen begann: „Eins, zwei, drei …“
    Vielleicht stimmte ihn eine abermalige Entschuldigung milder? Sie stand auf und

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