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Verführerische Unschuld

Verführerische Unschuld

Titel: Verführerische Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CHRISTINE MERRILL
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finden konnte, falls sie sich in der Nacht davonstahl, aber es wäre natürlich einfacher, wenn sie der Frau von gegenüber wenigstens ihr Kommen angekündigt hätte.
    Konnte sie ihr vielleicht ein Zeichen geben? Esme ging zum Fenster und schaute zu der Wohnung auf der anderen Seite, wo in dem Augenblick die blonde Dame angespannt aufsprang und sich der Tür zuwandte. Sollte Meg schon angekommen sein?
    Nun nahm die Frau eine Zeitung auf und wies erregt auf etwas, das dort stand. Und dann trat Radwell in Esmes Blickfeld, und sie sah, wie die Frau das Blatt fallen ließ und sich so ungestüm in seine Arme warf, dass sie ihm nachgerade am Hals hing und ihre Füße kaum den Boden berührten, während sie sein Gesicht mit Küssen bedeckte und er lächelnd auf sie niedersah.
    Der Schlüssel fiel aus Esmes Hand auf den Boden. Sie würde ihn nicht mehr brauchen. Vage dachte sie, dass sie nun zwar ihrem Vater entfliehen könnte, aber nicht wusste, wohin. Sie stand ganz allein in der weiten Welt.
    Da endlich spürte sie die Schmerzen, die ihr Vater ihr zugefügt hatte, und sie sank nieder und krümmte sich weinend und todunglücklich auf den Dielen zusammen.

20. KAPITEL

    Unbehaglich schob Radwell einen Finger hinter seinen steifen Kragen und versuchte, die schlicht, aber tadellos gebundene Krawatte zu lockern. Zu dem schwarzen Rock aus allerfeinstem Tuch trug er ebensolche Kniehosen; seidene Strümpfe und auf Hochglanz polierte Schuhe vervollständigten seinen förmlichen Anzug.
    Nachdem er den Türklopfer betätigt hatte, wartete er geduldig auf Einlass, um seine nagelneue Visitenkarte abzugeben. Nun war er ein Earl, sein neuer Titel war ehrwürdiger, angesehener und mit höheren Einkünften verbunden als der Lord Halverstons, Esmes verblichenem Bräutigam. Das sollte ihren Vater von seinen Vorzügen überzeugen, aber würde Mr. Canville sich davon beeindrucken lassen?
    Als der Butler öffnete, flog ein Schatten von Panik über das sonst so ausdruckslose Gesicht, ehe er sich zu der Erklärung herabließ, dass Mr. Canville nicht daheim sei.
    „Nun, ich werde warten.“
    Der Butler räusperte sich. „Er wünscht nicht, Sie zu empfangen, Sir.“
    „Dummes Zeug.“ Radwell tat die Worte mit einer hochmütigen Geste ab und überreichte seine Karte, während er vorsichtshalber einen Fuß in den Türspalt schob. „Mag sein, dass er Captain Radwell nicht empfangen will, aber heute spricht der Earl of Stanton vor. Der Titel sollte mich wenigstens über die Schwelle bringen. Lassen Sie mich ein und rufen Sie Mr. Canville! Wenn er mich abweisen will, mag er es mir ins Gesicht sagen.“
    Der Butler wich vor dieser hochfahrenden Pose zurück, geleitete den Besucher in den Empfangssalon und entschwand.
    Kurze Zeit später trat, leicht auf einen Stock gestützt, Mr. Canville ein. Er grüßte seinen Besucher nur mit einem beiläufigen Kopfnicken.
    Als Radwell den knorrigen Stock mit dem silbernen Knauf sah, musste er an die Male auf Esmes Rücken denken, und ihm gefror das Blut in den Adern. Dann jedoch stieg kochende Wut in ihm auf, und er stellte sich vor, wie er dieses Instrument dem Mann entreißen und gegen ihn wenden würde.
    Er rang das Gefühl nieder und lächelte ruhig.
    „Nun, welchem Umstand verdanke ich Ihren Besuch, Lord Stanton?“ Canville stieß den Titel verkniffen lächelnd hervor, so, als könne er ihm keinen rechten Wert zubilligen.
    Der Bursche war unverschämt! Abermals schluckte Radwell seine Wut hinunter, um Esmes Willen durfte er nicht provozieren. „Es geht um Ihre Tochter, Sir. Ich hatte die Ehre, Miss Esmes Bekanntschaft machen zu dürfen, als ich bei meinem Bruder in Devon weilte.“
    Unbewegt starrte Canville ihn an.
    Radwell fuhr fort: „Man sagte mir, sie sei verlobt, sodass ich mich ihr nicht erklären durfte. Doch nun ist diese Vermählung ja durch den bedauerlichen Tod des Earl of Halverston hinfällig, deshalb hoffte ich …“
    „Um sie zu werben, obwohl der Leichnam Lord Halverstons kaum kalt ist?“
    „Nun, nicht auf der Stelle natürlich“, korrigierte Radwell, „sondern nach angemessener Zeit, sofern es der Dame recht ist.“
    „Ich würde meine Tochter nicht jemandem wie Ihnen anvertrauen. Der Name St John Radwell ist berüchtigt.“
    Gewiss nicht berüchtigter als der des alten lüsternen Wüstlings, an den du sie gekettet hattest, du falscher Hund. „Seien Sie versichert, Sir, das ist vorbei“, erwiderte Radwell milde. „Mein Bruder, der Duke, hat sich mit mir versöhnt; die Zeit

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