Verführerisches Feuer
begann
das Baby zu schreien, als ob sie es mit ihrer Panik angesteckt hätte.
„Sehen Sie?“, sagte Falcons Vater zu dem anderen Mann, von dem Annie nicht wusste, wer er war. „Ihr Bruder hat recht. Sie kann für den Jungen nicht sorgen. Das Kind fürchtet sich vor ihr.“
Ollie fürchtete sich vor ihr? Colin war ihr Bruder? Was führten diese Leute im Schilde?
Verwirrung, Entsetzen und Angst überfluteten Annie. In dem instinktiven Versuch zu fliehen, drehte sie sich zu der Doppeltür um, durch die sie den Raum betreten hatte. Aber die war jetzt geschlossen und wurde von den beiden Bediensteten bewacht.
Annie spürte, wie ihre Angst noch größer wurde, während aller Mut dahinschwand, den sie aus dem Gedanken an Falcon geschöpft hatte.
Falcon. Falcon. Falcon. Sie sagte sich seinen Namen immer wieder vor. Das gab ihr neue Kraft, sie wurde ruhiger. Sie riss sich zusammen und erinnerte sich daran, dass sie nicht mehr das Mädchen war, das Colin in seiner Gewalt hatte. Deshalb brauchte sie auch keine Angst vor ihm zu haben.
Aber was war mit dem Prinzen? Er plante offenbar, ihr Ollie wegzunehmen, und Colin spielte sein Spiel mit. Er war schon immer dafür gewesen, dass Annie ihren Sohn zur Adoption freigeben sollte. Sie musste sich jetzt jeden Schritt genau überlegen, damit sie bloß keinen Fehler machte.
„Es ist in Ordnung, Annie“, hörte sie Colin mit seiner einschmeichelnden Falschheit sagen. Sie versuchte ihre Panik im Zaum zu halten. „Alles ist gut. Wir wissen, wie sehr du Oliver liebst, aber der beste Platz für ihn ist hier, bei seinem Großvater. Und das wird auch der Anwalt des Prinzen dem Vormundschaftsgericht so sagen. Wir haben alle vom Fenster aus gesehen, wie du Oliver vorhin übers Wasser gehalten hast. Der Prinz weiß, dass du eine Abtreibung wolltest. Versteh mich jetzt bitte nicht falsch, das macht dir unter diesen Umständen natürlich kein Mensch zum Vorwurf, und es ist ganz normal, dass es immer wieder Momente gibt, in denen dich das, was passiert ist, überwältigt. Wir versuchen nur, dich und Oliver zu schützen, indem wir verhindern, dass du womöglich etwas tust, was du hinterher bereust. Stell dir bloß vor, wie schrecklich du dich fühlen würdest, wenn du ihm etwas antätest.“
Nach einer kurzen Kunstpause fuhr Colin fort: „Und deshalb solltest du jetzt vernünftig sein und diese Vereinbarung unterschreiben, die der Anwalt vorbereitet hat. Damit trittst du das Sorgerecht an den Prinzen ab, und du wirst sehen, dass bald alles viel leichter wird für dich. Ich nehme dich mit nach England zurück, dann können wir das ganze verges…“
„Nein!“
Annie begann zu zittern. Bestimmt träumte sie das alles nur, oder? Das musste ein Albtraum sein. Es war einfach unmöglich, dass das passierte.
Und doch war es so.
„Das tut mir alles sehr leid.“ Nicht bei ihr entschuldigte sich Colin, sondern bei dem Prinzen. „Aber leider hat sich Annie von dem Nervenzusammenbruch, den sie nach Ollies Geburt hatte, nie richtig erholt. Deshalb …“
„Man sollte sie einsperren, damit sie meinem Enkel nichts antun kann.“
Der Prinz wandte sich an seinen Anwalt und sagte irgendetwas auf Italienisch. Dabei starrte er Annie finster an.
„Ich unterschreibe gar nichts“, sagte sie kämpferisch. „Und ich gehe auch nirgends hin. Nicht bevor ich mit Falcon gesprochen habe.“
Während der Prinz und sein Anwalt sich durch Blickkontakt verständigten und der Anwalt ganz leicht den Kopf schüttelte, machte Colin einen Schritt auf sie zu.
Wie der begann Ollie zu schreien, als spürte er die Gefahr.
„Geben Sie mir meinen Enkel“, verlangte der Prinz, während er seinen Rollstuhl in Bewegung setzte und auf Annie zufuhr. „Er ist ein Leopardi, und kein Gericht in Sizilien würde mir das Sorgerecht für ihn verweigern. Besonders nicht, wenn sich herausstellt, dass seine Mutter versucht hat, ihm sein Recht auf Leben zu nehmen.“
„Das ist nicht wahr“, protestierte Annie.
„Sag jetzt nichts mehr, Annie, es hat keinen Sinn. Ich habe dem Prinzen alles erzählt. Er weiß, dass du zuerst abtreiben und später Ollie zur Adoption freigeben wolltest.“
Annie keuchte vor Empörung. „Aber das stimmt doch gar nicht!“
„Nein, es stimmt wirklich nicht.“
Niemand hatte gehört, wie die Tür aufgegangen war, aber jetzt drehten sich alle zu Falcon um, der auf der Schwelle stand.
„Falcon!“
Annie hörte die grenzenlose Erleichterung in ihrer Stimme mitschwingen. Colins
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