Verführt im Harem des Scheichs
dass selbst Ramiz’ Stimme sich geändert hatte.
Ihr war, als folge sie einem völlig Fremden. Das mochte erschreckend sein. Aber wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie Ramiz tatsächlich nicht kannte. Sie hatte ihn erlebt, wie er kämpfte und wie er ihre kleine Karawane durch die Wüste führte. Das jedoch war nicht sein wirkliches Leben. Sein wahres Gesicht zeigte sich hier in der Hauptstadt seines Landes, in seinem Palast, inmitten seiner Untertanen.
Plötzlich verspürte Celia Angst.
Sie hatte seine Ankündigung, sie in seinen Harem zu bringen, nicht ernst genommen. Tatsächlich hatte sie jeden Gedanken an seinen Harem weit von sich geschoben und versucht sich einzureden, dass er sie von Balyrma mit einer Eskorte zum Hafen von A’Qadiz schicken würde, damit sie nach Kairo zurückkehren konnte.
Wie aber sollte sie sich verhalten, wenn er genau das nicht machte? Sie war allein unter Menschen, über deren Lebensgewohnheiten und Gesetze sie kaum etwas wusste. Schlimmer noch: Sie war eine Frau allein unter Fremden, eine Frau, die nicht einmal in ihrer Heimat das Recht besaß, selbst über ihr Leben zu bestimmen. Ihr blieb keine Wahl: Sie musste tun, was Ramiz von ihr verlangte.
Ich bin vollkommen machtlos, dachte sie und spürte, wie ein kalter Schauer ihr über den Rücken lief. Mit einem Mal fühlte sie sich so schwach und hilflos, dass ihr schwindelte. Ihre Fantasie gaukelte ihr Bilder vor, die bewirkten, dass ihr Magen sich zusammenzog und Übelkeit in ihr aufstieg. Es würde Wochen, vielleicht Monate dauern, bis man sie vermisste. Cassie würde vergeblich auf einen Brief von ihr warten, sich Sorgen um sie machen und gleichzeitig alles tun, um Caroline, Cordelia und die kleine Cressida zu beruhigen. Vermutlich würde sie auch versuchen, ihren Papa dazu zu bringen, etwas zu unternehmen. Aber welche Möglichkeiten hatte er überhaupt im weit entfernten London? Ehe er ihr, auf welchem Weg auch immer, zu Hilfe kommen konnte, würde man sie wahrscheinlich vergewaltigt und dann zum Sterben in der Wüste ausgesetzt haben.
Glücklicherweise fehlte es Celia nicht an gesundem Menschenverstand. So kam es, dass sie ihren Fantasien an dieser Stelle Einhalt gebot und sich ins Gedächtnis rief, dass Ramiz ihr das Leben gerettet und sie freundlich behandelt hatte. Also lag ihm zweifellos nichts daran, sie in der Wüste verdursten zu lassen. Gewiss, es war richtig, dass sie kaum etwas über Scheich Ramiz al-Muhana, den Herrscher über A’Qadiz, wusste. Aber sie besaß einige wichtige Informationen über den Menschen Ramiz. Er war verantwortungsbewusst, fürsorglich, klug und stark.
Daraus ließen sich, ebenso wie aus seinen Erzählungen, Rückschlüsse auf die Art seiner Herrschaft ziehen. Er war ein Ehrenmann, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, den Frieden in der Region zu wahren. Und er war viel zu intelligent, um eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem mächtigen Britischen Reich heraufzubeschwören, indem er die Gattin eines englischen Diplomaten tötete.
Ich bin nicht in Gefahr und sollte mich nicht wie ein dummes Mädchen benehmen, sondern so, wie Papa es von mir erwarten würde.
Entschlossen straffte sie die Schultern – und bemerkte, dass Ramiz und sein Begleiter verschwunden waren. Niemand außer ihr hielt sich im Innenhof auf, und außer dem Plätschern der Springbrunnen war kein Laut zu hören. Durch welche der vielen Türen mochte der Prinz das Haus betreten haben? Beinahe alle schienen offen zu stehen. Allerdings hingen überall Vorhänge aus schwerem Brokat, wohl um die Hitze des Tages von den Zimmern fernzuhalten.
„Hallo?“
Ihre Stimme hallte von den Mauern zurück. Niemand antwortete. Einen Moment lang stand sie wie angewurzelt. Dann beschloss sie, einfach die Tür zu nehmen, die am nächsten war.
Sie hob ihre Röcke ein wenig an und machte einen Schritt vorwärts, als wie aus dem Nichts zwei Männer auftauchten. Sie waren riesig und trugen dicke Bäuche vor sich her. Gekleidet waren sie in weite Hosen und weiße Tuniken. Auf ihrem Kopf saß ein schwarzer Turban, der sie noch größer erscheinen ließ. Bewaffnet waren sie mit Krummschwertern, die jetzt allerdings in einer am Gürtel befestigten Scheide steckten.
Sie sehen aus wie zwei von Ali Babas vierzig Räubern, fuhr es Celia durch den Kopf. Sie musste ein hysterisches Lachen unterdrücken, als die Männer vor ihr stehen blieben und ihr mit einer Handbewegung bedeuteten, dass sie mitkommen
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