Verführt im Harem des Scheichs
haben, dachte sie, um für mich all das zu tun, was er getan hat. Er hatte nicht nur um sein und ihr Leben gekämpft, sondern die Toten eigenhändig begraben. Er hatte die Karawane sicher nach Balyrma geführt, hatte sich um die Tiere gekümmert, das Feuer geschürt, Kaffee gekocht und dafür gesorgt, dass sie keinen Hunger litt.
Wie würde er sich ihr gegenüber nun verhalten, da sie nicht mehr allein waren? Und was erwarteten seine Berater und Diener von ihr? Gewiss hatte sie während der letzten Tage wiederholt gegen das Protokoll verstoßen. Was würde geschehen, wenn sie weitere Fehler beging?
Unsicherheit erfüllte sie, und sie war froh, dass ihr Gesicht hinter einem Schleier verborgen war. Dennoch wuchs ihre Nervosität. Zum Glück hatte sie nicht vergessen, was ihr Vater ihr immer und immer wieder gesagt hatte: „Wo du auch bist, mein Kind, als Tochter eines Diplomaten musst du dein Heimatland würdig vertreten.“
Sie würde ihr Bestes tun. Dazu gehörte auch, so viele Informationen wie möglich über A’Qadiz zu sammeln. Sie straffte die Schultern und schaute sich aufmerksam um. Dort rechts wuchsen Zitronen-, Orangen- und Feigenbäume. Links befand sich ein Olivenhain. Dann tauchte eine Wiese auf, auf der Pferde weideten. Aus einiger Entfernung war das Meckern von Ziegen zu hören.
Jetzt wurde die Besiedlung dichter. Bald stand Haus an Haus. Sie näherten sich dem Zentrum.
Zu ihrer Überraschung war der Stadtkern von Balyrma tatsächlich von einer hohen Wehrmauer umgeben. Der Schutzwall war ihr nicht aufgefallen, als sie an Ramiz’ Seite von der Sanddüne aus die Stadt bewundert hatte. Nun ritten sie durch ein prachtvolles Tor, und dann befand Celia sich in einer Medina wie aus 1001 Nacht. Auf den ersten Blick wirkten die Häuser, die zur Straße hin keine Fenster hatten, abweisend. Doch es gehörte nicht viel Fantasie dazu, sich die Innenhöfe mit Palmen, Blumen und plätschernden Brunnen vorzustellen.
Sie erhaschte einen Blick auf eine Straße mit kleinen Läden, in denen bunte Stoffe verkauft wurden. Ein Basar! Wenig später erfüllte der exotische Duft nach den unterschiedlichsten Gewürzen die Luft.
Die schmale Straße öffnete sich auf einen weiten Platz, dessen eine Seite von einer weiß getünchten Mauer begrenzt wurde, in die ein riesiges zweiflügeliges Tor eingelassen war. An der rechten und linken Ecke erhoben sich zwei Türme, so schlank und hoch, dass sie an Minarette erinnerten.
„Der Palast“, sagte Ramiz.
4. KAPITEL
W ie von Geisterhand wurde das Tor geöffnet, und voller Staunen betrachtete Celia den Palast von Balyrma. Er war so prunkvoll, dass es ihr die Sprache verschlug, und so exotisch, dass es sie nicht gewundert hätte, wenn plötzlich Scheherezade selbst vor ihr gestanden hätte.
Ramiz half ihr beim Absteigen und überließ die Kamele ebenso wie die anderen zur Karawane gehörenden Tiere den herbeigeeilten Bediensteten. Sie alle trugen weiße Galabijas, die zum Zeichen ihrer Zugehörigkeit zum Haushalt des Herrschers mit einem Falken und einem Halbmond bestickt waren.
Bemüht, keinen Fehler zu machen, blieb Celia mit gesenktem Kopf stehen, bis Ramiz sich in Bewegung setzte. Sie folgte ihm, ohne zu zögern. Die fremde Umgebung machte ihr ein wenig Angst, doch sie spürte, dass sie Ramiz vertrauen konnte.
Unauffällig schaute sie sich um. Sie überquerten einen großen Hof, der an drei Seiten von Gebäuden mit hohen Türen, Fenstern und Säulengängen umgeben war. Auch im Obergeschoss gab es viele Türen, durch die man auf einen umlaufenden Balkon gelangte. Die Wände waren an vielen Stellen mit blau-bunten Kacheln verkleidet. Rechts und links des gefliesten Weges, der zum Eingangsportal führte, plätscherten Springbrunnen. Alles war, wie Celia beeindruckt feststellte, vollkommen symmetrisch angeordnet.
Ramiz schien ihre Anwesenheit vergessen zu haben. Der ritterliche Kämpfer, der sie in der Wüste beschützt hatte, hatte sich in einen Menschen verwandelt, dessen ganze Haltung verriet, dass er sich seiner Macht bewusst war und keinen Widerspruch duldete. Niemand würde es wagen, sich ihm ungefragt zu nähern. Er war jetzt nur noch der Fürst, der über ein kleines, aber reiches Land herrschte und ganz in seinen Staatsgeschäften aufging.
Einer seiner Berater hatte bereits auf ihn gewartet. Auf einen Wink hin gesellte sich der Mann zu Ramiz und sagte ein paar Worte. Gleich darauf waren die beiden in ein ernstes Gespräch vertieft. Staunend stellte Celia fest,
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