Verführt im Harem des Scheichs
dass sie nichts tun konnte, ehe Ramiz sich nicht bei ihr meldete, fand sie es erstaunlich leicht, sich dem Zauber des Lebens im Harem hinzugeben. Die Ruhe tat ihrer Seele ebenso gut wie ihrem Körper. Während Adila und Fatima sich darin überboten, sie mit Leckerbissen, Massagen und Ähnlichem zu verwöhnen, gestatte sie selbst sich, die Erlebnisse der vergangenen Tage zu verarbeiten und auf diese Art Abstand zu gewinnen zu all dem Schrecklichen, das geschehen war. Je mehr ihr Herz und ihre Seele sich erholten, desto weniger Angst verspürte Celia vor der Zukunft, und desto größer wurde ihr Wunsch, die faszinierende Welt, in die sie geraten war, besser kennenzulernen.
Die Tage vergingen ohne besondere Ereignisse, was dazu führte, dass Celia bald jedes Zeitgefühl verlor. Nie zuvor hatte sie so viele Stunden allein verbracht, und nie zuvor hatte sie ein derart umfassendes Gefühl des Friedens gekannt.
Da sie daheim die Älteste war, hatte sie nach dem viel zu frühen Tod der Mutter schon als Halbwüchsige die Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister und den Haushalt ihres Vaters übernommen. Rasch war es ihr zur zweiten Natur geworden, als Erstes nicht an sich, sondern an andere zu denken. Sie hatte lernen müssen, vorausschauend zu planen und zu handeln. Stets hatte sie die verschiedensten Pflichten zu erfüllen gehabt. Und es war gänzlich ungewohnt für sie, über freie Zeit zu verfügen.
Zunächst beunruhigte es sie daher ein wenig, keine drängenden Aufgaben und nicht einmal etwas weniger Wichtiges zu tun zu haben. Wer sie seit Längerem kannte und wusste, wie beschäftigt sie stets gewesen war, hätte wohl vermutet, dass sie über Langweile klagen würde. Und noch bei ihrer Ankunft im Hafen von A’Qadiz hätte sie selbst diese Einschätzung bestätigt. Nun jedoch stellte sie fest, dass gerade der Mangel an Pflichten und Verantwortung ihr half, den Verlust ihres Gatten zu überwinden. Die erzwungene Ruhe gab ihr Zeit, nachzudenken und sich ihren Gefühlen zu stellen.
Irgendwann konnte sie sich ehrlich eingestehen, dass die Ehe mit George ein Fehler gewesen war. Schwerer fiel es ihr zuzugeben, dass sie Ramiz für einen überaus interessanten Mann hielt. Oft wanderten ihre Gedanken zu ihm. Und manchmal gestattete sie sich sogar, sich daran zu erinnern, wie wunderbar geborgen sie sich gefühlt hatte, als er sie aus ihrem Albtraum geweckt und ihr versichert hatte, dass er sie beschützen würde.
Tage und Nächte vergingen. Der Mond wurde rund, stand hell am Himmel und verwandelte sich wieder in eine schmale Sichel, ohne dass Celia ungeduldig wurde. Nun allerdings änderte sich ihre Stimmung. Jetzt war der Mond unsichtbar. So unsichtbar wie Ramiz …
Celia begann sich zu fragen, ob er sie wohl vollkommen vergessen hatte. Auch hatte sie sich inzwischen so weit erholt, dass sie den Wunsch verspürte, etwas zu tun. Doch in der Abgeschiedenheit des Harems gab es keine sinnvolle Aufgabe für sie. Sie musste mit Ramiz sprechen! Wo mochte er nur sein? Und wie konnte sie ihn erreichen?
Er tauchte auf, ehe sie einen Weg fand, von sich aus mit ihm Kontakt aufzunehmen.
Es war Abend geworden, und die beiden Dienerinnen hatten wie üblich das Essen aus der Küche geholt. Celia fiel auf, dass mehr Schüsseln und Schälchen auf den Tabletts standen als sonst. Sie hob die Brauen und musterte die goldverzierten Deckel, mit denen die Speisen abgedeckt waren. Niemals würde sie in der Lage sein, auch nur einen einzigen Bissen von jeder dieser Köstlichkeiten zu probieren.
Sie ließ sich auf eines der Kissen sinken, die vor der langen, niedrigen Tafel mit den unterschiedlichsten Gerichten aufgereiht lagen. Das war nicht ganz leicht, denn nach ihrem täglichen Bad und der darauffolgenden Massage hatte sie, wie es in ihrer Heimat üblich war, zum Dinner ein Abendkleid angezogen. Das setzte voraus, dass sie auch ihr Schnürmieder trug. Und dieses wiederum erwies sich als äußerst unbequem und einengend, wenn sie auf der Erde hockte.
„Wer soll das alles essen?“, fragte sie Adila. „Das ist doch viel zu viel.“
Doch die Dienerin lächelte nur und schaute unter ihren langen Wimpern hervor zu der Tür, die den Hof vom übrigen Palast trennte. Diese wurde jetzt weit aufgestoßen, was ganz und gar unüblich war. Die Bediensteten pflegten die Tür nämlich nur einen Spaltbreit zu öffnen, so als fürchteten sie, Celia könne auf dumme Gedanken kommen, wenn sie auch nur einen einzigen Blick auf die Welt jenseits des
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