Verführt im Harem des Scheichs
zunächst sehr erstaunte. Natürlich hatte sie damit gerechnet, dass Mütter überall auf der Welt viel Zeit damit zubrachten, sich um ihre Kinder zu kümmern. Sie nähten deren Kleidung, erzählten ihnen Geschichten, sorgten dafür, dass sie gesunde Nahrung erhielten, und trösteten sie, wann immer das nötig war. Aber es gab auch einiges, das Celia überraschte. So hatte sie nicht erwartet, dass viele Frauen in Balyrma den jüngeren Kindern die Anfangsgründe des Lesens, Schreibens und Rechnens beibrachten und die Großen daran erinnerten, die Aufgaben zu erledigen, die ihnen von ihren Lehrern in der Schule aufgetragen wurden.
„Ehe Ramiz den Thron bestieg“, berichtete Yasmina, „ging nur mein ältester Sohn zur Schule.“
Die beiden Frauen saßen über eine Decke gebeugt, die sie – jede an einer anderen Ecke – bestickten, während die jüngeren Kinder im Nebenzimmer ihren Mittagsschlaf hielten.
„Eine Mädchenschule gab es nicht. Die Mädchen konnten also nur lernen, was ihre Mütter ihnen beibrachten.“
„Natürlich wäre kein Mann jemals auf die Idee gekommen, die Mädchen zu unterrichten.“
Yasmina nickte. „Jahrhunderte lang haben die Menschen hier auf eine bestimmte Art gelebt. Und niemand weicht gern von dem ab, was sich aus seiner Sicht bewährt hat. Doch dank Ramiz ändert sich jetzt manches. Natürlich dauert es eine Weile, bis neue Ideen sich durchsetzen. Das wissen wir alle. Ramiz bemüht sich, nichts zu überstürzen. Aber er würde auch nie von seinen Zielen abrücken.“
„Ja, das entspricht seinem Charakter. Ich hoffe, ich habe mich eben nicht unhöflich ausgedrückt. Es ist nur, dass vieles hier so anders ist als daheim.“
„Dass es anders ist, bedeutet nicht, dass es schlecht ist.“
Celia nickte. „Vielleicht sind die Unterschiede zwischen euch und uns gar nicht so groß. Bitte erzählen Sie mir ein bisschen von den Neuerungen, die Ramiz durchgesetzt hat.“
„Oh, Ramiz ist sehr geschickt! Er hat zum Beispiel mit einer kleinen Schule für Mädchen angefangen. Er wusste, wie wichtig es ist, dass die Eltern Vertrauen zu den Lehrern haben. Natürlich gab es auch Väter und Großväter, die überhaupt nicht wollten, dass Mädchen unterrichtet werden. Niemand wurde gedrängt, seine Tochter zum Unterricht zu schicken. Aber viele Familien wünschten sich eine bessere Bildung für ihre Kinder. Anfangs gab es nur drei Lehrer. Sie haben fast hundert Mädchen unterrichtet. Meine ältere Tochter gehörte dazu. Wir haben großes Glück gehabt.“
Celia nickte erneut.
„Akil sagt, Ramiz würde weitermachen, bis jeder in A’Qadiz lesen und schreiben kann. Allerdings sind viele Leute nicht mit Ramiz’ Plänen einverstanden. Sie behaupten, Menschen sollten nur können, was sie für ihre tägliche Arbeit brauchen. Gärtner, Hirten, Handwerker und vor allem Frauen würden sonst vergessen, wo ihr Platz ist. Sie haben Angst, dass unsere gesamte Gesellschaft zusammenbricht, wenn alle lesen und schreiben können. Sie glauben, dass dann niemand mehr mit den Händen arbeiten will.“ Sie seufzte. „Es ist nicht gut, wenn die Menschen beunruhigt sind. Wenn Ramiz heiraten würde, würden die Leute sich sicherer fühlen. Deshalb drängt Akil ihn immer wieder zur Ehe mit einer der Töchter der Stammesfürsten. So könnte er beweisen, dass die Traditionen ihm nicht gleichgültig sind.“
Yasmina vernähte den roten Faden, mit dem sie eine Blüte gestickt hatte, und schnitt ihn ab. Ohne Celia anzuschauen, fuhr sie fort: „Bisher hat Ramiz noch nicht einmal eine Andeutung gemacht, wen er zur Braut wählen will. Dabei fällt mir ein: Haben Sie sich die Bilder angeschaut, die ich Ihnen gegeben habe?“
„Ja.“ Auch Celia hielt den Blick fest auf die Stickarbeit gerichtet. Die Bilder hatten sehr deutlich gezeigt, auf welche Arten Männer und Frauen einander sinnliche Vergnügen schenken konnten. „Ich glaube“, flüsterte sie, „nicht alles, was dort dargestellt wurde, ist überhaupt möglich.“
„Das stimmt wohl. Sie sind gemalt worden, um die Fantasie zu beflügeln. Haben sie das?“
„Wie bitte?“
„Haben die Zeichnungen Ihre Fantasie beflügelt?“
Celia errötete. „Mir kommt es falsch vor, diese … diese Dinge zu planen. Sollte man sie nicht einfach geschehen lassen?“
„In gewisser Weise haben Sie recht. Zumindest anfangs sollten wir Frauen es den Männern überlassen, den Weg zu weisen. Das gefällt ihnen. Später aber, wenn man einander gut kennt, kann es sehr gut
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