Verführt im Harem des Scheichs
für ein solches Projekt zu finden.“
„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, zitierte Ramiz ein Sprichwort seines Volkes, was Celia zum Schmunzeln brachte, weil es in ihrer Heimat den gleichen Ausdruck gab. „Wenn Farid sagt, er wünscht, dass die Kinder seines Stammes die Schule besuchen, dann werde ich das ermöglichen. So wie es aussieht, hat er bis vor Kurzem allerdings geglaubt, niemand würde auch nur den geringsten Wert auf Schulbildung legen. Nun, Sie scheinen da einiges ins Rollen gebracht zu haben.“
„Begleiten Sie mich zu diesem Gespräch, Hoheit?“
„Ja, aber Sie werden meine Unterstützung nicht brauchen.“ Er lächelte. „Scheich Farid erweist Ihnen eine große Ehre. Es muss damit zusammenhängen, dass es Ihnen irgendwie gelingt, jedem, der sich mit Ihnen unterhält, das Gefühl zu geben, der wichtigste Mensch auf der Welt zu sein. Selbst bei mir funktioniert das.“
„Bei Ihnen ist es leicht, weil es der Wahrheit entspricht.“ O Gott, das hatte sie nicht sagen wollen!
Ramiz schaute sie an.
„Für Ihr Volk sind Sie doch auch der wichtigste Mensch auf Erden“, meinte sie leichthin.
Aber er wusste, dass sie nur von ihrem Geständnis ablenken wollte.
„Sollen wir jetzt gleich zu Scheich Farid gehen?“
„Ja. Akil soll sich mit der Karawane ruhig schon auf den Heimweg machen. Wir werden sie problemlos einholen. Eine letzte Nacht werden wir dann noch in der Wüste verbringen. Morgen schon erreichen wir Balyrma.“
„Es wird seltsam sein, wieder im Harem zu leben.“
„Celia“, er hatte die Stimme gesenkt, „bedauern Sie, was geschehen ist?“
Er sah so besorgt aus, dass sie am liebsten die Hand ausgestreckt und die Sorgenfalten von seiner Stirn gewischt hätte. Das war natürlich in Anwesenheit der Diener vollkommen unmöglich. Doch als diese begannen, die Teppiche aufzurollen, konnte sie unauffällig nach seiner Hand greifen und sie kurz drücken. Seine Haut war warm und fühlte sich sehr vertraut an. „Ich werde unsere gemeinsamen Tage nie vergessen“, erklärte sie leise. „Es gibt nichts zu bedauern, denn jede Sekunde war wundervoll.“
Tatsächlich hatte sie schon vor ein paar Tagen beschlossen, Ramiz ihre Zuneigung und Dankbarkeit mit einem Geschenk zu beweisen. Sie hatte sich eine Galabija besorgt und begonnen, sie zu besticken. Dabei hatte sie zum einen jene traditionellen Muster gewählt, die Yasmina ihr gezeigt hatte. Darüber hinaus allerdings hatte sie sich noch etwas Besonderes einfallen lassen.
„Celia?“
Seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Und einen Moment lang fürchtete sie, er würde sich für das, was geschehen war, entschuldigen. Oder schlimmer noch: Er könne ihr eine Entschädigung anbieten. „Bitte, nicht“, murmelte sie.
„Was soll ich nicht tun?“
„Ich möchte nicht, dass Sie etwas zerstören, das so weit von der Realität entfernt und dabei so vollkommen war.“
„So weit von der Realität entfernt? Ein Märchen, meinen Sie? Immer noch?“
Sie war verwirrt. Doch ehe sie nachfragen konnte, meinte Ramiz: „Wir nehmen unsere Kamele natürlich mit zu Scheich Farid. Kommen Sie!“ Schon hatte er das Zelt verlassen.
Celia schaute ihm nach. Während der vergangenen Tage, so hatte sie geglaubt, war er ihr so vertraut geworden, dass sie ihn in jeder Situation verstand. Heute jedoch war er ihr sehr fremd gewesen. Warum hatte er sie so seltsam angeschaut? War er verärgert gewesen? Aber worüber? Nein, die Gefühle, die seine Augen einen Moment lang widergespiegelt hatten, konnte sie nicht zuordnen. Es hatte sich zumindest nicht nur um Ärger gehandelt …
Sie warf einen zimtfarbenen mit Goldfäden bestickten Umhang über ihre Abaya und wollte Ramiz folgen.
War er enttäuscht gewesen? Vielleicht weil die kommende Nacht in der Wüste ihre letzte sein würde? In einem Zelt herrschte eine ganz andere Atmosphäre als im Harem. Aber er hatte sie doch auch dort besucht! Wollte er ihr zu verstehen geben, dass ihre gemeinsame Zeit sich endgültig dem Ende zuneigte?
Übelkeit stieg in ihr auf. Und auf einmal fühlte sie sich so schwach, dass sie sich auf den Diwan sinken ließ. Ja, bestimmt hatte er ihr sagen wollen, dass diese letzte Nacht in der Wüste ihre letzte gemeinsame Nacht überhaupt sein würde.
Sie kniff die Augen zusammen, um nicht zu weinen. Natürlich hatte sie immer gewusst, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Allerdings hatte sie fest daran geglaubt, ihr Glück würde dauern, bis sie A’Qadiz verlassen musste.
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