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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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groß!
    Beißender Rauch verbrannte Gerard die Kehle und verdarb ihm den Genuss. Er drückte die Zigarre so rücksichtslos aus wie Lucien Snow die Lebensgeister seiner Tochter und schleuderte den Stumpen in die Dunkelheit.
    Gerard atmete pfeifend aus, als sich oben am Fenster eine Silhouette gegen das Licht abzeichnete. Er machte ein finsteres Gesicht. Das Mädchen erschien ihm körperlos wie ein Geist, auch wenn sich unter dem Stoff des züchtigen Nachtgewandes Kurven abzeichneten, die unzweifelhaft einer Frau gehörten. Ihr helles Haar, das in zwei langen Zöpfen gebunden war, glänzte im Mondlicht wie geflochtenes Silber.
    Sie hatte sich in Richtung des Pförtnerhauses gedreht, und Gerard fragte sich, ob sie wohl die Nacht nach ihm absuchte. Es war unmöglich, doch er hätte geschworen, dass ihre Blicke sich in der Dunkelheit trafen. Dann zog sie mit fast greifbarem Zorn die Vorhänge zu.
    Gerard hätte belustigt sein sollen, hätten seine durchkreuzten Pläne ihn nicht so beschäftigt. Er konnte sich keine Ablenkungen leisten, aber er konnte auch nicht vergessen, dass die Tochter des Admirals kein trockener Zunder war, sondern eine feuchte Zündschnur auf einem Fass voller Schießpulver – langsam nur brennend, unberechenbar und gefährlich.

6
     
    Präzise um 06:oo am nächsten Morgen klopfte Smythe an die Tür des Pförtnerhauses. Gerard zog sich den Quilt über den Kopf. Er sah keine Notwendigkeit, Miss Snows kostbares Leben zu beschützen, während diese sich anzog und frisierte. Er ignorierte die freundlichen Fragen nach seinem Befinden so lange, bis der Butler sich wieder trollte. Es war schon nach neun, als er mit von zu wenig Schlaf und zu vielen Zweifeln dröhnendem Schädel aus dem Bett krabbelte.
    Nachdem er sich eine gründliche Rasur verpasst, die Stiefel poliert und ein vertrocknetes Stück Kuchen gefrühstückt hatte, meldete er sich am Haupthaus und musste feststellen, dass er – statt Iona zu erforschen, wie er es sich erhofft hatte – Miss Snow auf einen belanglosen Botengang zu begleiten hatte.
    Soweit er den aufgeregten Diener richtig verstanden hatte, hatte die nachlässige junge Mistress eine wertvolle wissenschaftliche Quelle schlicht verschlampt – die kürzlich erschienenen Memoiren von Admiral Lord Howell. Zur Strafe schickte man sie jetzt auf Lord Howells Landsitz, wo sie sich eine neue Kopie sichern sollte. Ihr Vater hatte bestimmt, dass sie ihre Zeit am effizientesten nutzte, wenn man das Ganze als offiziellen Besuch bei Lord Howells Tochter Sylvie verbuchte.
    Gerard wartete im Foyer und klopfte sich ungeduldig mit dem Hut an den Oberschenkel, als Lucy in einem Paar zarter Sandalen die Treppe heruntertrippelte. Der weiße Musselin des schlicht geschnittenen Kleides war unterhalb des Busens in winzige Falten gelegt. Dazu eine pastellrosa Stola und einen Strohhut mit farblich abgestimmten Seidenbändern. Sie war der Inbegriff mädchenhaften Charmes, und Gerard konnte nicht umhin zu lächeln.
    Zumindest bis er ihre Augen sah. Ihr Blick war wie der erste Anflug des Winters und hätte einen schwächeren Mann wohl vernichtet. Er ging ihr widerstrebend aus dem Weg, setzte den Hut auf und wies spöttisch mit der Hand zur Tür.
    Lucy drückte ihm im Gehen ein Fernglas aus Messing in die Hand. »Vielleicht hilft es Ihnen bei Ihren nächtlichen Spionagegängen, Mr. Claremont.«
    Hätte der Diener nicht die Tür aufgerissen, davon war Gerard überzeugt, sie wäre einfach durchmarschiert.
    Er sah ihr Hinterteil keck unter dem Musselin wackeln und murmelte: »Ihnen auch einen guten Morgen, Miss Snow.« Dann knallte er das Fernglas auf einen Beistelltisch und folgte ihr.
     
    Die Morgensonne blendete Gerard, während sie auf die Kutsche warteten, die von den Stallungen herübergebracht wurde. Wie Manna fiel das Sonnenlicht aus der himmlischen Azurkuppel und ließ die Kronen der Eichen pfirsichfarben erglühen. Gerard holte tief Luft und genoss den frischen Duft des Herbstes. Nichts konnte ihm den Appetit auf frische Luft und Sonnenlicht verderben, nicht einmal, dass er auf eine Admiralsgöre Acht zu geben hatte.
    Ein übermütiger Wind kam vom Fluss herüber, flitzte durch die Baumkronen und ließ es in Karmesinrot und Gold Blätterkaskaden regnen. Mit Rechen bewaffnet, versuchte eine Schar von Gärtnern den tollkühnen Eindringlingen Herr zu werden, auf dass sie nicht den makellosen Rasenteppich befleckten. Gerard kämpfte gegen den ungezogenen Drang, durch die Laubhaufen zu jagen und die

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