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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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dahinter.
    »Man kann das Stehvermögen dieses Kerls nur bewundern«, sagte er kühl. »Jungfrauen sind dermaßen anstrengend.«
    Lucy schwieg ein paar Radumdrehungen lang, als müsse sie die grobschlächtige Beobachtung erst verdauen. »Ich fürchte, ich war in Gefahr, selber geschändet zu werden.« Ihr gedankenverlorenes Eingeständnis verbesserte Gerards Laune nicht. Er knallte das Buch zu und betrachtete ihren schlanken Körper mit derart vernichtender Abschätzigkeit, dass sie jedes Recht gehabt hätte, ihm eine Ohrfeige zu verpassen, wäre ihr danach gewesen. »Ich glaube, Sie irren sich, Miss Snow. Ich habe gehört, Doom bevorzugt Frauen, die ein wenig mehr Fleisch auf den Knochen haben.«
    Lucy erbleichte. Die grauen Augen beherrschten das gesamte Gesicht. Sie schaute zum Fenster hinaus und konzentrierte sich ganz auf die vorbeifliegende Ulmenallee.
    Gerard bereute schon fast die gezielte Boshaftigkeit und legte das Buch weg. »Vergeben Sie mir meine schlechten Manieren, Miss Snow. Ich bin ein Fachmann, und diese Anstellung entspricht nicht dem, was ich erwartet hatte.«
    Er musste erstaunt feststellen, dass Aufrichtigkeit ihm so fremd geworden war, dass sogar die Wahrheit den misstönenden Beigeschmack einer Lüge hatte.
     
    Lord Howells Landsitz bildete einen verblüffenden Gegensatz zum reglementierten Leben auf Iona. Hier wirbelten die fallenden Blätter in ausgelassenem Tanz umher, ließen sich von dicklichen, kleinen Händen einfangen und fröhlich in den Wind zurückwerfen oder zu knirschenden bernsteinfarbenen Bergen türmen, in denen zerzauste Kinder herumtollten.
    Gerard sog den Anblick mit einem Durst auf, der seine Kehle bitter werden ließ. Er hatte sich einst für sich selbst eine solche Zukunft ausgemalt, nur dass sie ihm weggeschnappt worden war wie ein Blatt vom strengen Winterwind. Er erinnerte sich, wie schnell die Jahreszeiten vergingen und die Chancen vertan waren.
    Erpicht, diese Farce hinter sich zu lassen und zu seinen Geschäften zurückzukehren, öffnete er den Kutschenschlag. Als Lucy auftauchte, stoben ihr ein paar Spaniels und ein schlaksiger Jagdhund entgegen. Eine dunkelhaarige junge Frau flog mit wehenden Hutbändern über den Rasen. Ihre Freudenschreie übertönten sogar das aufgeregte Fiepsen der Spaniels.
    »Lucy! Liebe, liebe Lucy! Ich wusste gar nicht, dass du frühmorgens Besuche machst. Was ist los? Hat der Admiral sein Chronometer schon wieder mit dem Barometer verwechselt?«
    Gerard senkte den Kopf, um ein Lächeln zu verbergen, und hatte Miss Howell schon jetzt sehr gern.
    »Guten Morgen, Sylvie. Ich hoffe, unser unerwarteter Besuch macht dir keine übertriebenen Umstände.« Lucy stand starr in der Umarmung ihrer Freundin und ließ sich nur dazu herab, die blasse Wange an Sylvies rosige zu drücken.
    In Anbetracht von Miss Snows unterkühltem Temperament hegte Gerard den zynischen Verdacht, die affektierte Geste sei gleichbedeutend mit einer Liebeserklärung.
    Sylvies blaue Augen blitzten, als sie über Lucys Schulter Gerard entdeckte, der lässig am Kutschenschlag lehnte. »Oh, mein Gott!«, sagte sie mit einem bühnentauglichen Flüstern, das laut genug war fürs Königliche Theater an der Drury Lane. »Wo hast du diesen gut aussehenden Kerl her? Diese Haare! Diese Schultern! Der ist ja großartig! Unvergleichlich! Hast du einen Verehrer?«
    Lucy spürte förmlich, wie Claremonts Belustigung ihr die Schulterblätter wärmte. Nachdem sie ihn, ohne es zu wollen, Sylvies schamloser Lobhudelei preisgegeben hatte, fühlte sie sich verpflichtet, die Sache klein zu reden.
    »Ich würde sagen, nein. Ist er nicht«, erklärte sie. »Er ist nur ein Bediensteter.«
    Sylvies kunstvoll gezupfte Augenbrauen schossen nach oben. »Erzähl!«
    »Also gut, wenn du darauf bestehst. Vater hat ihn als meinen Leibwächter eingestellt.«
    Sylvie brach in trällerndes, melodisches Gelächter aus. Sie legte ihre Hand an Lucys Ohr und flüsterte ihr etwas zu. Claremonts blasierte Miene bedeutete ihr, dass er jede einzelne, skandalöse Silbe erraten hatte.
    Sein Grinsen wich der Vorsicht, als Lucy ihn der ganzen Gewalt ihres Grübchencharmes aussetzte. Als er höflich die Einladung ablehnte, sie zu begleiten, nahm sie seine Hand und versuchte, ihn von der Kutsche fortzuziehen.
    »Oh nein, Miss Howell. Ich sollte wirklich hier bleiben. Mein Beruf, wissen Sie. Ich muss nach Banditen und Meuchelmördern Ausschau halten.«
    »Und nach Indianern«, ergänzte Lucy. Sie genoss seine Verlegenheit.

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