Verführt: Roman (German Edition)
Stimme war messerscharf. »Wenn mein Vater sich für Ihre Meinung interessierte, dann hätte er das bei Ihrem Gehalt berücksichtigt.«
Gerard hatte sich auf eine Strafpredigt seitens des Admirals eingestellt. Lucy brachte ihn bedrohlich aus dem Konzept. Er zog die Augen zusammen, aber sie mied seinen Blick. Wen beschützte sie eigentlich? Sich selbst? Oder ihn?
»Sie, Mr. Claremont, sind lediglich ein Bediensteter«, tönte der Admiral und gab ihm dabei zu verstehen, dass seine Position in etwa mit der eines Haustieres vergleichbar war. »Ich darf wohl kaum erwarten, dass Anstand Ihnen etwas bedeutet. Was aber meine Tochter betrifft …« Er verlor sich in Gezeter und umrundete Lucy, die Schleppe seines Hausmantels wippend wie der Schweif eines hungrigen Löwen.
Gerard schob die Fäuste in die Hosentaschen. Sollte Snow es auch nur wagen, Lucy auf die Finger zu klopfen, würde Gerard sich morgen keine neue Anstellung suchen müssen, sondern wegen der Ermordung seines Arbeitgebers im Gefängnis sitzen.
Er hätte wissen müssen, dass Lucien Snow viel zu kultiviert war, um Gewalt anzuwenden. Warum auch, wo seine Verächtlichkeit doch eine ätzend scharfe Waffe war, die er schwang wie eine neunschwänzige Katze? Lucy blickte zu Boden, während sein arktischer Blick sie von den triefenden Strähnen des zerdrückten Chignons bis zum schmutzigen, zerrissenen Rocksaum musterte.
Als sein Schweigen sich zur Strafe auswuchs, holte sie zittrig Luft. »Vater, bitte, ich …«
»Halt den Mund, Mädchen. Ich habe keine Verwendung für faule Ausreden und hübsche Lügenmärchen. Gott weiß, dass deine Mutter mir genug davon aufgetischt hat, nachdem ich ganze Nächte lang vergeblich auf ihre Rückkehr gewartet habe. Bei Tagesanbruch ist sie dann hier hereingestolpert …«, er schnüffelte mit der Patriziernase herum, das kalte Lächeln wurde noch eisiger, »… und hat nach Fusel gestunken.« Er strich seiner Tochter mit einer gespielten Zärtlichkeit, die Gerard unerträglich widerwärtig war, das zerzauste Haar glatt. »Das schöne Haar zerwühlt … das Kleid zerknittert … die Lippen geschwollen vom Kuss ihres Liebhabers.«
Ihr Nacken nahm einen schuldbewussten Rotton an, und Gerard verfluchte sich dafür. Lucy dachte sicher gerade daran, wie seine Fingerspitze unschuldig ihre Lippen berührt hatte.
Smythe warf ihm aus zinngrauen Augen einen unergründlichen Blick zu. Über all den brodelnden Gefühlen die Maske der Gleichgültigkeit an ihrem Platz zu halten, wurde Gerard zunehmend unmöglicher.
»Das Einzige, was mich wirklich überrascht, ist, dass es dem schwachen Geschlecht tatsächlich noch gelingt, mich zu enttäuschen«, fuhr der Admiral fort. »Mit jenem verantwortungslosen, wollüstigen Benehmen zu enttäuschen, das die Frauen an den Tag legen, seit Eva den Apfel nahm, den die Schlange ihr reichte, und die Menschheit ins Verderben stürzte. Hast du irgendetwas zu deiner Entschuldigung zu sagen, Lucinda?«
Tu es nicht , flehte Gerard leise . Zur Hölle, Lucy, tu es nicht .
Sie hob den Kopf, um ihren Vater anzusehen. Die grauen Augen beherrschten das kreidebleiche Antlitz. »Es tut mir Leid, Vater.«
Smythe senkte den Kopf und sah auf die Minute so alt aus, wie er war.
»Sehr gut«, sagte der Admiral, den die demütige Kapitulation seiner Tochter wohlwollender stimmte. »Werden sehen, ob ich in meinem Herzen Vergebung finde.«
Er stützte sich schwer auf seinen Gehstock und marschierte, die wogende Schleppe im Kielwasser, die Treppe hinauf. In durchweichten Sachen, die sie wie ein kleines Mädchen aussehen ließen, das in den Kleidern seiner Mutter ertrank, schaute Lucy ihm hinterher.
Gerard berührte ihre Schulter und scherte sich nicht darum, was Smythe hörte oder dachte. »Dazu hat er kein Recht.«
Sie hob so trotzig, dass es ihm das Herz abdrückte, das Kinn. Ihre sanfte Stimme hatte einen bitteren Beigeschmack. »Er hat jedes Recht. Er ist perfekt. Und ich bin der einzige Fehler, der ihm je unterlaufen ist.«
Sie schüttelte seine Hand ab, straffte unter seinem Gehrock die Schultern und folgte ihrem Vater die Stufen hinauf. Blind vor Zorn und Enttäuschung, drehte Gerard sich um und trat mit dem Fuß auf etwas Weiches.
Er bückte sich und entdeckte das Lavendelsträußchen, hob es auf und hielt es sich an die Nase. Das zarte Bukett war fast bis zur Unkenntlichkeit zerquetscht, doch eine Spur des flüchtigen Dufts hing hartnäckig in den zerdrückten Blüten. Er dachte an Lucys Lächeln, als er es
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