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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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Schritten zog es ihn hinein wie einen Mann, der jahrzehntelang die öde Wüste durchwandert hatte, um schließlich in einen verlassenen Harem zu stolpern, ein parfümiertes Gemach voll der Erinnerungen und des Versprechens sinnlicher Genüsse. Seine ausgehungerten Sinne erbebten unter dem zärtlichen Ansturm.
    Lucys Zuflucht war die Antithese zur spartanischen Maskulinität, die den Rest des Hauses beherrschte. Im gemauerten Kamin knisterte einladend ein Feuer. Girlanden aus elfenbeinfarbener Spitze umwogten das Himmelbett und verhüllten mit hauchzarten Schleiern das zerwühlte Bettzeug. Einlegearbeiten aus glänzendem Satinholz zierten die Möbel, deren zierliche Linien sich in bizarre Schnörkel schwangen. In Schwindel erregender Vielfalt bedeckten plüschige Teppiche den Boden, als hätte – gerettet durch Lucys Hand – ein jeder Teppich, der es je gewagt hatte, des Admirals polierten Plankenboden zu verunstalten, den Weg hierher gefunden. Erfreut über seine Entdeckung, durchmaß Gerard lächelnd den Raum. Die untadelig gekleidete, makellos frisierte Miss Snow, bei der jedes Schleifchen an seinem Platz saß, war eine niederträchtige kleine Betrügerin! Gefangen vom verschlampten Zauber des Raums, fuhr er mit der Hand übers ungemachte Bett, kniff in den Zeh eines rosa Strumpfs, der sich frech um den Bettpfosten schlang, und vergrub die Finger in den verführerischen Wasserfall aus Seide und Spitzenstoff, der sich aus den halb offenen Schubläden des Kleiderschranks ergoss.
    Ein niederträchtige kleine Betrügerin, wiederholte er bei sich, mit einem absolut dekadenten Sinn für Dessous. Er liebkoste die cremige Seide eines champagnerfarbenen Unterkleides zwischen Zeigefinger und Daumen. Widerwillig ließ er schließlich davon ab. Es würde Lucy kaum gefallen, ihn ihre intimsten Kleidungsstücke befingern zu sehen, wenn sie zurückkehrte.
    Am überladenen Frisiertisch hielt er erneut inne, um sich einen unverschlossenen geschliffenen Kristallflakon an die Nase zu halten und sich vom klaren Limonenduft, der so ganz und gar Lucy war, betäuben zu lassen. Ein Teewagen, dem die Jahre den Glanz genommen hatten, stand neben der Fensterbank, voll gestellt mit kleinen Tontöpfen, aus denen in Hülle und Fülle blühende Gloxinien quollen.
    Gerard strich über eines der flaumigen, adrigen Blätter und dachte, wie sehr das Blatt doch seiner Herrin glich: stachelig anzusehen, aber anzufassen wie reiner Samt. Ein Patchwork-Quilt lag vergessen auf der Fensterbank. Er tastete über den ausgefransten Saum und lächelte, als er sich Lucy in den heimeligen Kuscheltiefen vorstellte. Als er die Ecke des Quilts losließ, fiel ein dickes Skizzenbuch zu Boden.
    Er ging in die Hocke, um das Buch zu studieren. Seite für Seite blätterte er es durch, und die Scham, die ihn ob seiner aufdringlichen Neugier hätte überkommen sollen, fiel dem blanken Staunen zum Opfer.
    Keine faden Wasserfarben diesmal, sondern Kohlezeichnungen mit kühnem, leidenschaftlichem Strich. Er hätte sich nicht träumen lassen, dass man zarte Gloxinienblüten mit solch feinfühligem Ungestüm darstellen konnte. Er lachte lauthals, als er zwischen den Blumenskizzen ein Blatt mit der Karikatur eines Marineoffiziers entdeckte, das ihn an die Arbeiten eines Hogarths zu dessen bester Zeit erinnerte. Lucy hätte es zweifelsohne abgestritten, aber der aufgeblasene Kerl ähnelte doch sehr dem Admiral.
    Sein Lachen erstarb, als er weiterblätterte und auf das Bild einer jungen Frau stieß, fast noch ein Mädchen, die ebenjene glockenförmigen Blüten im dunklen Haar trug. Ein Anflug undefinierbarer Traurigkeit verdarb ihr schelmisches Lächeln.
    Das Skizzenbuch wurde ihm aus den Händen gerissen. »Mr. Claremont! Was in aller Welt machen Sie da?«
    Lucy stand über ihm, das Haar feucht, das seidene Negligé an all den falschen Stellen am Körper klebend. Sie drückte sich das Skizzenbuch an die Brust, als wolle sie nicht nur die Zeichnungen, sondern auch sich selbst vor seinen hungrigen Blicken schützen. Gerard fielen keine Entschuldigungsgründe mehr ein, als hätten das ergreifende Porträt und der Limonenduft von Lucys frisch gewaschener Haut ihn des Gedächtnisses beraubt.
    »Wer ist sie?«, fragte er und erhob sich langsam.
    Lucy brauchte nicht erst das Skizzenbuch zu konsultieren. »Meine Mutter.«
    »Sie erinnern sich an sie?«
    »Natürlich nicht!« Lucys Stimme knirschte vor Hochmut. »Sie hatte die Güte, eine Woche nach meiner Geburt am Kindbettfieber zu

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