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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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solch einem exzellenten Seemann machten. »Sagen Sie, Captain, war der Landgang die Mühe wert?«, fragte er und entblößte die blendend weißen Zähne.
    »Du bist heute schon der Zweite, der mich das fragt.« Ein bitteres Lächeln umspielte Gerards Lippen, als er sich nach der zersplitterten Schatulle des Admirals bückte, die er wütend auf Deck geworfen hatte. »Kein Kaperbrief, kein Hinweis auf den Offizier, der Snows Handlanger war.«
    Er hielt ein paar vergilbte Papiere hoch und ließ den ungestümen Wind an ihnen zerren. »Nur alte Zeitungsartikel, die die beeindruckende Karriere des Admirals verherrlichen.« Er ließ die Ausschnitte aufs Wasser hinausflattern und holte ein samtgebundenes Buch hervor, dem die Zeit ihre Stockflecken aufgedrückt hatte. »Und das Tagebuch einer toten Frau.«
    Eigentlich hatte Gerard Annemarie Snows Tagebuch lesen wollen, aber irgendetwas an der verschnörkelten, kindlichen Handschrift, die das krasse Gegenteil der präzisen Schrift ihrer Tochter war, hatte ihn abgehalten. Er hatte kein Anrecht auf Lucys Vergangenheit. Er war weit genug in ihr Leben eingedrungen, in ihr Zuhause, ihre Privatsphäre … ihren Körper. Niedergeschmettert vom Gedanken an den hingebungsvollen Körper unter seinen Fingern, machte er kurz die Augen zu.
    Als er sie wieder aufschlug, betrachtete Apollo ihn mit derselben sonderbaren Mischung aus Belustigung und Mitleid wie an jenem Abend, als er seinen Kapitän mit einer Stichwunde aufgefunden hatte, die nur eine Winzigkeit vom Herzen entfernt war.
    Gerard warf Tagebuch und Schatulle auf Deck zurück und vergaß schlagartig die Sentimentalitäten. »Kein Grund zum Spott. Ich habe vielleicht nicht erreicht, was ich vorhatte, aber ich verspreche dir, beim nächsten Zusammentreffen mit Lucien Snow wird nach meinen Regeln gespielt.«
    »Sind Sie sicher?«
    Gerard studierte mit zusammengezogenen Augen den Horizont. »Todsicher. Denn jetzt spielen wir mein Spiel, und ich bin derjenige, der den höchsten Trumpf in der Hand hat.«
    Er konnte nur noch beten, dass er auch ruchlos genug sein würde, die zerbrechliche, kostbare Karte zu seinem Vorteil auszuspielen.
     
    Lucy fand in der Einsamkeit keinen Frieden. Gefangen zu sein machte sie schier verrückt. Wie ein Vogel, der hilflos an die Stäbe des Käfigs schlug, wanderte sie in der riesigen Kajüte umher und scheute dabei vor dem monströsen Bett und seiner dunklen Intimität zurück.
    Sie mühte sich ab, an gar nichts zu denken, doch je länger die Stunden sich zogen, desto heftiger schmerzte ihr Schädel vor unvergossenen Tränen. Die boshaften Dämonen des Zweifels bissen sich an ihr fest. Sie beschleunigte ihre Schritte. Sie wusste, sie hätte dankbar sein müssen, nicht an die Wand gekettet zu sein.
    Oder ans Bett.
    Lucy drehte sich abrupt um und starrte die Monstrosität aus Teak und Mahagoni an, die die Kajüte dominierte. Was musste das für ein Lebemann sein, der in der drangvollen Enge eines Schiffs mit solch einem Luxus herumprotzte? Die bloße Existenz dieses gigantischen Möbels beleidigte ihren angeborenen Sinn fürs Praktische und ihr Anstandsgefühl. Vermutlich hatten sie die Wände heraushauen müssen, um das Bett hier hereinzukriegen, oder vielleicht, der Einfachheit halber, das Schiff gleich ums Bett herumgebaut.
    Der geschnitzte Prunk war von der bescheidenen Bettstatt im Pförtnerhaus so weit entfernt wie diese komplexe männliche Kreatur von dem einfachen, schlichten Mann, für den sie ihren Leibwächter gehalten hatte.
    Ihr Herz fing zu schmerzen an, als sie begriff, dass sie diesen Mann auf ewig verloren hatte. Schlimmer noch, woanders als in ihrer naiven Fantasie hatte er nie existiert.
    Doch seine Stimme hörte nicht auf, sie zu verfolgen. Wenn mir eine Frau wie Sie auf Gnade und Ungnade ausgeliefert wäre, ich würde sie nicht gehen lassen.
    Das pompöse Bett nötigte Lucy, Gerards bedrohliche Hintergedanken zur Kenntnis zu nehmen. Sie unterdrückte ein Schaudern.
    Um auf andere Gedanken zu kommen – und wenn es auch Gerards Anschuldigungen gegen ihren Vater waren -, drehte sie sich zum Bullauge um.
    Lucy war zwölf Jahre alt gewesen, als ihr Vater die Verwundung erlitten hatte, die seine Karriere beendete. Einzig Smythe war gestattet gewesen, ihn zu versorgen. Doch Lucy erinnerte sich gut an jene finsteren Tage – das bittere Gebrüll des Admirals; das verschreckte Flüstern der Bediensteten; die fremden Leute, die Tag und Nacht ins Haus kamen, an die Vordertür pochten und Einlass

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