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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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teuflischer erscheinen ließ. » Wir haben auf unseren Reisen durchaus einige weiße Sklavenhändler getroffen, stimmt’s, Apollo? Ob der Pascha wohl nach wie vor auf der Suche nach hochnäsigen englischen Fräuleins für seinen Harem ist, was glaubst du?«
    Lucys Wangen fingen zu glühen an, als Gerard unverschämt gründlich ihre Aufmachung musterte, aber sie behielt die trotzige Miene bei. »Erzählen Sie, Captain, war es Apollo, der den Kanal unsicher gemacht hat, während Sie auf Iona waren? Hat er den Marineoffizieren die Uniformen ausgezogen und beim Kartenspiel das Gold der Königlichen Schatzkammer gesetzt?«
    Gerard tauschte mit seinem Steuermann kryptische Blicke, gab aber keine Antwort.
    Apollo räusperte sich vernehmlich. »Ich schaue besser nach der Wache, Sir.«
    Sir . Eine respektvolle Anrede, vielleicht sogar ehrerbietig, aber keinesfalls unterwürfig. Wäre sie nicht so dumm gewesen, sich von Apollos Hautfarbe täuschen zu lassen, sie hätte sofort erkannt, dass diese beiden Männer einander ebenbürtig waren.
    »Bleib hier.« Gerards barscher Ton erstaunte sie. Falls Apollo gleichermaßen erstaunt war, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Er kehrte einen Schritt zurück.
    Lucy klapperte unschuldig mit den Augendeckeln und breitete einladend die Arme aus, damit Gerard sie durchsuchen konnte. »Ich bin unbewaffnet, Captain. Sie brauchen keinen Leibwächter.«
    Aber Sie vielleicht, dachte Gerard und betrachtete Lucy mit zusammengezogenen Augen. Irgendetwas an ihr hatte sich verändert. Etwas, das viel bedeutsamer war als das Leinenhemd, das sie nachlässig um die Taille geknotet hatte, oder das Haar, das keine Bänder und Kämme mehr bändigten. Etwas Undefinierbares, das sie sehr anziehend machte. Er machte sich im Geist eine Notiz, ihr passende Kleider zu beschaffen. In den Sachen da sah sie viel zu verführerisch aus.
    Er wies zum Tisch hinüber. »Essen Sie. Und falls Sie irgendwelche kindischen Dinge im Sinn haben, etwa sich zu Tode zu hungern, um mein Mitleid …«
    Den Rest konnte er sich schenken, weil Lucy sich rittlings auf den Stuhl gesetzt hatte und das Essen förmlich in sich hineinschaufelte. Ihr offenkundiges Vergnügen an der einfachen Mahlzeit war erstaunlich. Gerard war dankbar, dass Tam in London frische Verpflegung besorgt hatte. Die wurmstichigen Weizenbrote und die madigen Biskuits, die nach langer Zeit auf See oft die einzige Nahrung waren, hätten ihr kaum derartiges Vergnügen gemacht.
    Sie verputzte einen Teller voller Bohnen, einen halben Laib dunkles Brot und spülte alles mit viel Milch hinunter. Gerard war zufrieden. Er hatte das kostbare Getränk aus Pudges privaten Vorräten konfisziert. Und Lucys Oberlippe mit Milchbart zu sehen, war Pudges Gejammer fast schon wert. Er verspürte den absurden Wunsch, sich hinunterzubeugen und ihn abzulecken.
    Lucy ersparte ihm die Versuchung, indem sie Gerard eine neue, noch verführerischere darbot und den sahnigen Schaum abschleckte – mit rosaroter Zunge und der sinnlichen Laszivität eines Kätzchens, das sich die Schnurrhaare putzt.
    Gerard verkniff sich ein Knurren und sank schwer in den Sessel gegenüber. Er zeigte auf das Chaos um sie herum. »Wie ich sehe, haben Sie sich bestens unterhalten, während ich weg war.«
    Lucy zuckte die Achseln. Sie wollte nicht zugeben, dass sie nach Anhaltspunkten, seine Person betreffend, gesucht hatte. Sie wollte ihn nicht wissen lassen, dass er sie immer noch faszinierte. Und dass sie langsam zu glauben anfing, was er ihrem Vater unterstellte, hätte sie nicht einmal unter Androhung von Folter zugegeben.
    »Ich langweile mich eben schnell«, sagte sie leichthin.
    »Ah, ja. Und nur ein produktives Leben ist auch ein glückliches Leben, nicht wahr, Miss Snow?«
    Sein Spott stachelte sie auf. »Piraten haben schließlich auch eine lange Liste, die sie im Laufe eines normalen Tages abzuarbeiten haben. Schiffsladungen plündern. Unschuldige Menschen terrorisieren.«
    Gerard spielte mit dem Brieföffner des Admirals herum, als hätte er vergessen, dass er ihn noch in Händen hielt. »Sie haben da noch was vergessen. Das Blut von Neugeborenen trinken, zum Beispiel, und Halsketten aus menschlichen Ohren knüpfen.« Er schaute sie unter dichten Wimpern hervor an und probierte die Spitze des Brieföffners an seiner Daumenkuppe aus. »Habe ich Ihnen schon gesagt, was für hübsche, kleine Ohren Sie haben?«
    Lucy erinnerte sich an ihre absurden Schauergeschichten und war aufs Neue gedemütigt.

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