Verführt von einer Lady
alles in der Welt sollte er uns besuchen kommen?“, fragte Lady Crowland.
„Vielleicht ist er noch mit Amelia verlobt“, schlug Milly vor.
Entsetzt sah ihre Mutter sie an. „Wissen wir das denn nicht?“
„Ich glaube nicht“, erwiderte Milly.
Amelia sah nicht von ihrem Buch auf.
„Amelia“, sagte Lady Crowland scharf. „Wie ist das denn nun mit deiner Verlobung?“
Amelia versuchte, ihre Reaktion auf ein Schulterzucken und einen ausdruckslosen Blick zu beschränken, erkannte aber ziemlich schnell, dass sie damit nicht durchkommen würde. „Ich weiß nicht genau.“
„Wie ist das möglich?“, erkundigte sich Milly.
„Ich hab sie nicht gelöst“, sagte Amelia.
„Und er?“
„Ähm …“ Amelia hielt inne, weil sie nicht wusste, wem sie als Erstes antworten sollte, da die Frage aus fünf verschiedenen Richtungen auf sie eindrang. Ihrer Mutter, entschied sie schließlich, wandte sie sich zu und sagte: „Nein. Nicht ausdrücklich.“
„Was für ein Durcheinander. Was für ein Durcheinander .“ Kummervoll legte Lady Crowland die Hand an ihren Kopf. „Dann wirst du sie eben lösen müssen. Er wird es nicht tun, dazu ist er viel zu sehr Gentleman. Aber er würde bestimmt nicht erwarten, dass du ihn jetzt noch heiratest.“
Amelia biss sich auf die Lippe.
„Höchstwahrscheinlich ist er hier, um dir Gelegenheit zu geben, die Verlobung zu lösen. Ja, das muss es sein.“ Lady Crowland wandte sich an den Butler und sagte: „Führen Sie den Herrn herein, Granville. Und was euch andere angeht …“ Sie wedelte mit der Hand in Richtung ihrer Töchter, was nicht ganz einfach war, da sie über den ganzen Raum verteilt saßen. „Wir wollen ihn begrüßen und uns dann diskret verabschieden und den Raum verlassen.“
„Und ein derartiger Massenauszug soll diskret sein?“, fragte Milly.
Lady Crowland warf ihr einen strafenden Blick zu und sagte zu Amelia gewandt: „Oh! Meinst du, dass dein Vater hier sein sollte?“
„O ja“, sagte Amelia, die, alles in allem, bemerkenswert gelassen war. „Allerdings.“
„Milly“, sagte Lady Crowland, „geh deinen Vater suchen.“
Milly blieb der Mund offen stehen. „Ich kann doch jetzt nicht gehen.“
Lady Crowland stieß einen theatralischen Seufzer aus. „Ach, du liebe Güte, womit habe ich das bloß verdient?“ Sie drehte sich zu Elizabeth.
„O nein“, erwiderte Elizabeth sofort. „Ich will nichts verpassen.“
„Ihr zwei“, sagte Lady Crowland und winkte ihren beiden Jüngsten zu. „Geht euren Vater suchen, und ich will keine Klagen hören.“ Sie legte die Hand an ihren Kopf. „Ach, bestimmt bekomme ich jetzt wieder meine Migräne.“ Als ihre Töchter sich nicht schnell genug in Bewegung setzten, fügte sie hinzu: „Hier gibt es nichts zu sehen. Wyndham …“
„Cavendish“, korrigierte Milly sie.
Lady Crowland rollte mit den Augen. „Wo gibt es denn so etwas! Verschollener Cousin, von wegen!“ Mit bemerkenswerter Geschwindigkeit wandte sie sich wieder an die beiden Mädchen, die noch in der Tür standen. „Ab mit euch!“
Gehorsam setzten sie sich in Bewegung, liefen aber erst noch Thomas in die Arme, der soeben in den Raum geleitet wurde. Er trug ein ziemlich großes, flaches Paket, das er, unter Lady Crowlands Anweisung, an die Wand lehnte.
„Lady Crowland“, sagte er und verneigte sich tief.
Amelia spürte einen Ellbogen in der Seite. Elizabeths.
„So erschüttert sieht er aber gar nicht aus“, wisperte Elizabeth. „Hat er nicht gerade alles verloren?“
„Vielleicht nicht alles“, murmelte Amelia. Aber Elizabeth hörte es nicht, da sie im Augenblick vollauf damit beschäftigt war, nicht auszusehen, als gaffte sie, was sie natürlich tat.
Thomas wandte sich an die drei Willoughby-Schwestern. „Lady Elizabeth“, sagte er höflich, „Lady Amelia, Lady Millicent.“
Alle drei knicksten, und er antwortete darauf mit einem eleganten Neigen des Kopfes.
Lady Crowland räusperte sich. „Was für eine reizende Überraschung, Euer, ähm …“
„Mr. Cavendish“, sagte er mit sanftem Humor. „Ich hatte schon ein paar Wochen Zeit, mich daran zu gewöhnen.“
„Und natürlich ist es auch Ihr Name“, warf Milly ein.
„Millicent!“, schalt ihre Mutter.
„Nein, nein“, meinte Thomas mit ironischem Lächeln. „Sie hat ja recht. Ich habe von Geburt an Thomas Cavendish geheißen.“
Nach kurzem, verlegenem Schweigen sagte Lady Crowland: „Sie sind bei guter Gesundheit?“
„Sehr guter, Mylady, danke. Und
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