Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
ausrufen, und sie sah, dass er ihr gefolgt sein musste. »Das wollte ich nicht.«
    »Das waren Sie auch nicht«, antwortete Angiola ungnädig. Gerade jetzt und hier wollte sie ihn nicht sehen. »Das hat doch mit meinem Hals nichts zu tun. Ich habe meine Blutungen bekommen.« Sie wollte, dass er ging, und sehnte ihre Mutter herbei.

    Appianino machte immer noch eine verschreckte Miene und starrte auf das Blut auf ihren Oberschenkeln. Es kam ihr in den Sinn, dass er vielleicht an das Blut auf seinen eigenen Beinen dachte, als man an ihm herumgeschnitten hatte, und ihr Ärger schwand. Ihre Mutter hatte gesagt, dass man die Kinder manchmal bereits mit sechs oder sieben Jahren kastrierte, spätestens jedoch, ehe den Knaben die Stimme brechen konnte.
    Er musste entsetzliche Angst gehabt haben.
    »Es ist schon gut«, setzte sie sanfter hinzu.
    Sein Blick wanderte zu ihrem Gesicht. »Du – du hast völlig klar gesungen«, sagte er. »Kurz, aber klar. Da ist etwas in deiner Kehle. Wir werden sehen, ob sich daraus mehr machen lässt. Wenn du nicht fleißig bist und mir nicht in allen Dingen gehorchst, dann ist jedoch Schluss damit. Und wenn mein Engagement hier zu Ende ist, reise ich ab.«
    Wieder sank sie vor ihm in einen Knicks, doch diesmal meinte sie es nur halb ernst, halb war es etwas, das ihr half, nicht länger mit ihrem kurzen Unterrock vor ihm herumstehen zu müssen.
    »Danke, mein höchst edler Herr.«
    »Von nun an wirst du mich mit Maestro anreden«, versetzte er grimmig, doch mit irgendwie schuldbewusster Miene.
    * * *
    Giacomos Aufenthalt in Padua hatte endlich eine günstige Wendung genommen. Anstatt mit zehn älteren Jungen, die wie er die Rechtswissenschaft studieren sollten, in einem Raum schlafen zu müssen, hatte er bei einem seiner Lehrer, Dottore Gozzi, ein eigenes Zimmer. Die schönste Seite daran war, dass das Fenster auf den Hof und zu anderen Fenstern hinausging. Er hätte ohne große Anstrengung sogar in den ersten Raum hinübersteigen können. Hinzu kam, dass das Haus des Dottore ein Eckhaus mit zwei Flügeln war, und so konnte er in wenigen Spannen Abstand entfernt in einen weiteren Raum der Familie Gozzi blicken, was alles andere als uninteressant war.
    Bettina, die jüngere Schwester seines Lehrers, lebte darin. Sie war höchstens fünfzehn, somit nur gut zwei Jahre älter als er, und der Schwarm aller Studenten, deren Nähe er gerade entkommen war. Im Gegensatz zu den anderen lebte er jedoch nun kaum zwei Armlängen weit von diesem Engel entfernt, der ihn anfänglich sogar noch badete und dabei manchmal, wie zufällig, sein Glied berührte. Seit diesen Berührungen hatte sich in seinem Körper etwas verändert, und er hatte Bettina nun manch schlaflose Nacht und Träume zu verdanken, die ihn mit klebrigen Spritzern in seinem Nachthemd aufwachen ließen.
    Das Mädchen wusste nur zu genau, dass es schön war. Es hatte ganz dunkle Augen, die durch sein tiefschwarzes Haar noch unterstrichen wurden, einen cremigen Teint und kräftig geschwungene Lippen. Seine Figur konnte man nur als kurvig bezeichnen. Die Komplimente, welche es von allen Jungen dazu hörte, erzählte es aus purer Eitelkeit beim Essen seinem Bruder, obwohl es diesen damit von einer Verlegenheit in die andere stürzte, und das nicht nur, weil er sich der Nähe des jungen Giacomo dabei bewusst war.
    »Ich muss dich verheiraten«, war die übliche Aussage Dottore Gozzis dazu. Dann ging man die in Frage kommenden Männer durch, die meist mindestens doppelt so alt wie Bettina waren. Das Mädchen quittierte diese Aussagen stets mit einem Augenrollen. Dabei waren Bettinas Aussichten auf eine gute Ehe durchaus begrenzt, seit sie um ein Haar mit einem der Studenten erwischt worden wäre und nur straflos davonkam, weil sie mit etwas Seifenschaum im Mund Besessenheit vortäuschte. Giacomo hatte sie die Seife hinterher ausspucken sehen, aber der Exorzist, den Dottore Gozzi bemüht hatte, war von Bettinas Teufelsbesessenheit überzeugt gewesen und hatte mit großem Zinnober eine Austreibung zelebriert. Danach konnte sich Dottore Gozzi sagen, dass der Teufel für die Anwesenheit seiner Schwester in den Armen eines Studenten verantwortlich gewesen war, aber es half ihm nicht dabei, Bettina zu verheiraten, und sie selbst zeigte auch keine Begeisterung für eine Eheschließung.
    Der junge Giacomo konnte Bettina gut verstehen und hätte ohnehin lieber mehr von den Komplimenten gehört, um sie für sich variieren und einzigartig machen zu können.

Weitere Kostenlose Bücher