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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ich das verstehen?«
    Der Bäcker wirft ihm einen Blick zu, als habe Calori gerade eine ungeheuer dumme Frage gestellt, halb Spott, halb Mitleid in seinen Augen. Caloris Gattin räuspert sich. Die beiden Begleiterinnen des Bäckers kichern nicht mehr, sie lachen. Calori wird heiß unter dem Kragen. Er ist ein zukünftiger Beamter der Universität von Bologna, zum Teufel, kein Bauerntölpel!
    »Ein Theater bedeutet auch Einnahmen und kommt daher viel billiger, als Mätressen von Rang für seinen guten Ruf auszuführen. Außerdem sagt man den Grimanis nach, wenigstens einer von ihnen hätte der Zanetta ein Kind gemacht«, stellt der Bäcker ganz sachlich fest. Calori beginnt zu bereuen, dass er seine Frau und seine unschuldige Tochter hierhergebracht hat. Wenigstens macht Angiola den Eindruck, nicht im Geringsten zu verstehen, von was die Erwachsenen da gerade reden. Stattdessen starrt sie wie gebannt auf die Bühne, wo unter großem Applaus eine Frau mit silber glänzendem kurzem Kleid, das ihre Knöchel noch sehen lässt, sich unter die übrigen Darsteller mischt. Die Schauspielerin wirbelt umher, scherzt mit dem Mann im Harlekinkostüm, dann, als sie ein paar Zurufe aus dem Publikum bekommt, mit zweien der Männer, die aufgestanden waren, obwohl das doch gewiss nicht zum Stück gehört, und beginnt, ein Lied zu trällern, was die beifälligen Zurufe des Publikums immerhin so weit zum Schweigen bringt, dass man die Sängerin nun selbst auf den Rängen verstehen kann.
    Calori lebt wahrlich nicht nur für die Verwaltung und die Bücher, er schätzt auch die Musik, und in Momenten außergewöhnlich guter Laune summt er selbst mal ein Liedchen. Deswegen ist er bereit zuzugeben, dass die Komödiantin da unten nicht nur schön aussieht, sondern auch eine recht gute Stimme hat. Aber er findet es doch übertrieben, dass seine kleine Tochter sie anstarrt, als wäre sie ein fleischgewordenes Wunder, zumal wenn sich jenes Weib das glitzerende Halsband garantiert nicht durch seine, wie er weiß, schlecht bezahlte Darstellerkunst, sondern bestimmt über die Gunst eines reichen Mannes verdient hat. Angiola ist noch zu jung, um ihr das jetzt zu erklären und ihr die Augen über die Schlechtigkeit in der Welt zu öffnen.
    »Ist sie ein Engel?«, fragt Caloris kleine Tochter ehrfurchtsvoll, und ehe er seine Beherrschung verlieren kann, erwidert seine Gemahlin rasch: »Aber nein, mein Schatz, wie kommst du denn darauf?«
    Angiola deutet in die Höhe, und erst jetzt fällt Calori auf, dass die Decke des Theaters bemalt ist, mit goldenen Sternen auf einem dunkelblauen Grund.
    »Das ist doch der Himmel«, sagt Angiola ernsthaft, »und sie klingt so herrlich.«
    »In den Himmel kommst du erst, wenn du tot bist, Kleine«, sagt die Bäckersfrau freundlich. »Hier wird nur so getan, als ob.« Sie deutet auf die Komödiantin, die sich mit dem Ende ihres Lieds dem Harlekin entzieht, ehe er ihr einen Kuss rauben kann, nicht jedoch, ohne ihn mit ihrem Fächer neckend auf die Schulter zu klopfen. »Und unsere Zanetta dort unten ist eine Frau gerade so wie wir und deine Mama. Sie hat auch Kinder, ganz wie du eins bist, vier oder fünf sogar.«
    »Wie schafft sie das bei einer so schmalen Taille?«, fragt Caloris Gattin beeindruckt und hoffnungsvoll, die Hand auf ihren eigenen Leib legend, wo, wie ihr Mann hofft, nunmehr sein Sohn heranwächst. Plötzlich stellt er sich seine Lucia vor, wie sie im kurzen Kleid und einem ähnlich offenherzigen Ausschnitt unter den Blicken fremder Männer auf der Bühne herumwirbelt, und ist zutiefst entsetzt und, wie er sich gestehen muss, ein ganz klein wenig erregt, weil er so ein Bild schon einmal in einem seiner Träume erlebt hatte. Zumindest weist der Umstand, dass ihm die Hose gerade etwas eng wird, darauf hin. Er versucht, nicht an die gelegentlich geschlossenen Vorhänge der Logen und die Liegen darin zu denken, die er im Vorbeigehen gesehen hatte, verbunden mit eindeutigen Geräuschen.
    Er hat nur deswegen den Weg über Venedig genommen, um einem Onkel, der bald dahinscheiden und ihn hoffentlich in seinem Testament bedenken wird, seine Aufwartung zu machen. Das ist geschehen, und nun wird die Familie Calori nach Bologna weiterziehen und dort das gleiche ehrsame Beamtenleben führen, wie sie es in Mailand getan hat. Seine Gattin wird dann eine der angesehenen Damen der Stadt werden, wie es sich gehört.
    »Eine Frau und Mutter«, sagt Calori missbilligend, »sollte sich nicht so zeigen.«
    Der Bäcker zuckt

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