Verführung auf Burg Kells (German Edition)
bisschen größer als Sam.“
„Sieht Sam so aus wie ich?“ fragte Nicholas neugierig.
„Sehr sogar. Vielleicht lernst du ihn eines Tages kennen.“
„Das würde mich freuen. Hat er ein Pony zum Reiten?“ Und ohne auf die Antwort zu warten, redete er weiter. „Ich hatte auch einmal ein Pony, aber das wurde gestohlen.“
„Das tut mir aber Leid.“ Sie heftete den Blick auf Alex und wusste, dass es einen weiteren Grund gab, warum Nicholas ein Heim auf Castle Kells bekommen sollte. Wie viele Gründe würden noch zum Vorschein kommen?
Der Vater hob seinen Sohn in die Arme. „Jetzt gehst du mit Frau Marie auf dein Zimmer und wäschst dir vor dem Mittagessen die Hände. Ich hole dich später.“
„Versprochen?“
„Versprochen.“
Und dann flüsterte der Kleine mit einem verstohlenen Seitenblick zu Ebony seinem Vater etwas ins Ohr.
„Ja“, sagte sein Vater. „Das ist sie, nicht wahr? Sehr hübsch sogar. Nun aber ab mit dir.“ Hand in Hand verließen die alte Dame und das Kind den Raum, plauderten wie Schulfreunde miteinander, und die fünfzig Jahre Altersunterschied schienen keine Bedeutung zu haben.
Ebony hätte sehr gern Fragen über den Geisteszustand ihrer Mutter gestellt, über ihre Zukunft und ihre Vergangenheit gesprochen, stattdessen sagte sie: „Erzählst du mir etwas über ihn? Er ist ein entzückender kleiner Junge. Und dir sehr ähnlich … im Aussehen, meine ich. Ist dir klar, dass ich von ihm wusste?“
„Helen hat mit dir gesprochen“, antwortete er und trat ans Fußende des Bettes. „Sei’s drum. Wichtig ist, dass du mich begleitet hast. Seine Mutter war Engländerin aus einer Londoner Familie. Nach unserer Hochzeit nahm ich sie mit nach Schottland, aber ich war ständig unterwegs. Das war ein großer Fehler, denn es war dumm von mir zu denken, sie sei glücklich, nur weil wir verheiratet waren. Typisch schottisch, fürchte ich. Sie wurde schwanger, und ich wurde nach Flandern abberufen zu einer Mission, die wesentlich länger dauerte als geplant. Während meiner Abwesenheit wurde das Dorf überfallen. Der Junge war erst vier Wochen alt.“ Seine Stimme klang gepresst. „Sie wollte ihn beschützen, aber sein Fuß wurde von einem Schwerthieb getroffen. Sie war nicht schwer verletzt, aber sie überlebte den Schock nicht. Sie war ein zartes Geschöpf. Ich hätte sie nicht allein lassen dürfen.“
„Oh Gott … Alex. Wie furchtbar. Das tut mir sehr Leid.“ Ebony senkte den Blick auf ihre Hände, fand keine passenden Worte. Er hatte eine ähnliche Tragödie erlebt wie sie. „Deshalb hast du das Kind hierher gebracht?“
„Ja. Freunde hätten ihn zu sich genommen und natürlich auch seine Londoner Verwandten, aber das wollte ich nicht. Ich fand, im Kloster, an einem neutralen Ort, sei er sicherer. Ich bezahle einen guten Preis für seine Unterkunft und Erziehung.“ Er lächelte.
„Und Nicholas’ Pony? Ist es das Pony auf Castle Kells?“
„Ich fürchte, ja. Ein weiterer Beweis für die Diebstähle deines Schwiegervaters und seines Neffen. Der Abt kaufte das Pony von Davy Moffats Zwischenhändler, der es eigentlich nach Schottland hätte bringen sollen, und als es eines Nachts zum zweiten Mal gestohlen wurde, trug es das L für Lanercost in die Flanke eingebrannt. Der arme Nick war sehr traurig.“ Alex musterte sie besorgt. „Fühlst du dich nicht wohl? Ruhig, mein Schatz. Keine Tränen.“ Er setzte sich zu ihr, nahm sie in die Arme und wiegte sie wie ein Kind. „Beruhige dich. Es wird alles gut. Ganz ruhig, Liebes.“
Die Tränen brachen aus ihr heraus, sie wurde von Schluchzen geschüttelt in aufwallender Trauer, Verwirrung und einem Übermaß an Liebe, die für drei Menschen ausreichte, wenn sie nur bereit wären, sie anzunehmen. Doch daran hatte sie ihre Zweifel.
Alex versuchte, sie mit sanfter Stimme zu trösten. „Es war ein großer Schock für dich, ich weiß. Ich ahnte nicht, dass du den beiden vor mir begegnest. Es war leichtsinnig von mir. Beruhige dich, Liebste.“
„Ich kann sie … nichts … fragen“, schluchzte sie. „Sie kann mir nicht sagen, was passiert ist. Wie kann ich ihr nur helfen? Wie kann ich sie überreden, mit mir nach Hause zu kommen?“
„Abt William wird dir alles berichten, was er über sie weiß, obwohl das vermutlich nicht sehr viel ist. Körperlich ist sie wieder genesen, aber sie hat Schaden an Seele und Geist erlitten, und die Ärzte im Kloster sagen, nur die Zeit könne ihre seelischen Wunden heilen. Aber sie ist nicht
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