Verführung auf Burg Kells (German Edition)
zugeben will.“
„Wir kommen gut miteinander zurecht.“ Sie lächelte. „Nicholas hat mir sehr geholfen, mich in meinem neuen Leben zurechtzufinden.“
„Und Ihr habt ihm Lesen und Schreiben beigebracht.“
„So wie mir vor vielen Jahren“, flüsterte Ebony.
„Aha, deshalb bist du so gebildet, kein Wunder“, sagte Alex lächelnd.
„Und du“, entgegnete Ebony, „hast geahnt, dass es eine Verbindung gibt, aber du hast es vorgezogen, nicht mit mir darüber zu sprechen.“ Diese Ahnung begann ihrer Beziehung allmählich eine neue Bedeutung zu geben. Ebony wusste, dass sie Alex keine Vorhaltungen machen durfte, sie so lange im Ungewissen gelassen zu haben, und nahm sich vor, sich in Geduld zu üben; sie brauchte viel Kraft, um sich mit dieser Schicksalswende vertraut zu machen. Sie konnte nicht davon ausgehen, dass Frau Marie unvermutet zu ihrem wahren Selbst zurückfinden und einer völlig Fremden Muttergefühle entgegenbringen könnte. So sehr sie sich danach sehnte, ihre Mutter zu umarmen und ihr das Herz über all das aufgestaute Leid der vergangenen Jahre auszuschütten, erkannte sie, dass sie damit selbstsüchtig handeln und diese verstörte Frau, die keine verwandtschaftliche Beziehung zu ihr – auch zu keinem anderen – erkennen konnte, nur noch mehr verwirren würde. Ebony musste sich in Geduld üben und abwarten, bis eine Veränderung eintrat, wenn überhaupt. Sie befand sich in einem schmerzlichen Seelenkonflikt, aber ihre Mutter hatte ebenso gelitten wie sie selbst und hatte wahrscheinlich einen weit größeren Verlust erlitten, da sie einen bedeutsamen Teil ihres Lebens einfach verloren hatte.
„Richtig“, sagte Alex. „Ich habe nur mit Hugh darüber gesprochen, dem die Ähnlichkeit zwischen dir und deiner Mutter sofort aufgefallen war. Wir haben Frau Marie bei unserem letzten Besuch vor ein paar Monaten kennen gelernt, als Nick seinen sechsten Geburtstag feierte.“
„Und wie lange ist es her, dass der Abt sie fand?“
Marie wandte sich mit einem fragenden Blick an Alex.
„Im August vor zwei Jahren“, antwortete er. „Ein Jahr später, nachdem du …“
„Ja“, sagte Ebony sinnend, „aber ich bin nicht die Einzige, die einen großen Verlust erlitten hat, nicht wahr?“
„Abt William hat auch mir geholfen. Wir kennen uns seit vielen Jahren, noch bevor die Feindseligkeiten zwischen England und Schottland sich zuspitzten. Wir stehen zwar auf verschiedenen Seiten, was aber weder unsere Freundschaft noch seine Zuneigung zu Nick beeinträchtigt hat.“
Ebony spürte, dass er einer Antwort auf ihre indirekte Frage auswich. „Gilt es nicht als Verrat, Freunde auf der anderen Seite zu haben?“ fragte sie.
Ihr Einwand wurde mit einem Lachen abgetan. „Die Feindschaft zwischen England und Schottland ist nicht wirklich tief verwurzelt, wie du weißt. Unsere beiden Länder lebten bis vor einigen Jahren in Frieden, die Schotten hatten unter der englischen Hoheit kaum zu leiden, und englische Lords erhielten Landbesitz in Schottland. Nick war hier auf der englischen Seite ebenso sicher, wie er es auf der schottischen Seite gewesen wäre, und ich konnte ihn besuchen, wann immer meine Zeit es erlaubte. Aber er kann nicht für immer hier bleiben, das steht fest.“
Nun beteiligte sich Frau Marie am Gespräch und äußerte ihre Meinung. „Er braucht eine Mutter und den Umgang mit anderen Kindern“, warf sie ein. „Das wisst Ihr, Alex.“
„Ja, und Lady Ebony braucht eine Mutter und den Schutz eines Ehemanns“, fügte er hinzu. „Und auch ihr kleiner Sohn braucht den Umgang mit anderen Kindern.“
„Nein“, widersprach Ebony, im Gefühl, das alles entwickle sich für Frau Marie zu schnell. „Einen Augenblick. Alles zu seiner Zeit. Keine Frau wird es dir danken, wenn sie in eine Situation gedrängt wird, die ihr möglicherweise unerwünscht ist. So etwas will sorgfältig überlegt sein.“ Ihre Besorgnis galt Frau Marie, nicht der eigenen Person, doch Alex deutete ihre Worte auf seine Weise und glaubte, sie beantworte damit eine völlig andere Frage.
„Du hast vermutlich Recht“, sagte er und stand auf. „Aha, da kommt das Quellwasser. Gut gemacht, Nick.“ Er nahm dem Kind den überschwappenden Krug ab, ohne auf den nassen Fleck auf seinem Wams zu achten, goss Wasser in einen Becher und reichte ihn Nicholas. „Bring ihn Lady Ebony“, bat er.
„Vielen Dank“, sagte sie und lächelte den Kleinen an. „Du bist genauso alt wie mein Sohn, aber ich glaube, du bist ein
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