Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verführung auf Burg Kells (German Edition)

Verführung auf Burg Kells (German Edition)

Titel: Verführung auf Burg Kells (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Landon
Vom Netzwerk:
dass sein Vater hier ist. Wie komme ich auf die Wiese?“
    „Ganz einfach“, erklärte der junge Mönch. „Durch die Gartentür hinter dem Haus und den Weg entlang.“
    Ebony nahm den Kopfschmuck und den pelzgefütterten Umhang ab, trat ins Freie, durch die Gartentür und schlug den schmalen Wiesenpfad ein.
    Auf halbem Wege nahmen die beiden Gestalten sie wahr, hielten in ihrem Spiel inne und blickten ihr entgegen. Ebony kam sich beinahe vor wie ein Störenfried und hätte am liebsten wieder kehrt gemacht.
    Die hoch gewachsene schlanke Frau, kein junges Kindermädchen, wie Ebony von weitem vermutet hatte, trug ein graublaues, altmodisches loses Gewand, zog den Schleier tiefer in die Stirn und nahm das Kind bei der Hand, wie um es zu beschützen. Der kleine Junge hatte seidig glänzendes braunes Haar, das sich lockig in die Stirn und über die Ohren kringelte. Sein rosiges Gesicht war mit winzigen Sommersprossen übersät, und er blickte ihr aus strahlend blauen Augen, die seinem Vater so sehr glichen, furchtlos entgegen. Er trug eine kurze braune Tunika, mehr konnte sie nicht von ihm erkennen, da das hohe Gras ihm bis zu den Schenkeln reichte. Sie schätzte ihn einen halben Kopf größer als Sam.
    „Guten Tag“, rief Ebony und lächelte ein wenig verkrampft.
    Die Frau zog den Knaben näher an sich. „Wer seid Ihr?“ fragte sie.
    Die Färbung der Stimme kam Ebony irgendwie vertraut vor, aber ihr Interesse galt eigentlich dem Kind. „Ich bin Ebony“, antwortete sie. „Und du bist Master Nicholas, nehme ich an. Und Frau Marie?“
    „Ja, ich heiße Nicholas“, stellte der Junge sich vor, hielt ihr die flache Hand entgegen und zeigte ihr eine grüne dicke Raupe. „Wir sammeln Tiere mit Beinen. Das hat keine Beine.“ Sein kleines Engelsgesicht lächelte, doch dann wurde er von einem Rascheln im Gras abgelenkt und ging in die Hocke, um dem Geräusch nachzugehen.
    Das Misstrauen der Frau schien sich zu legen, die erneut an ihrem Schleier nestelte; an ihrer Hand funkelte ein breiter Goldreif. Etwas in ihrer Bewegung und ihrer Haltung weckte in Ebony den Wunsch, ihr Gesicht deutlicher zu sehen und sie zum Sprechen zu bringen. „Verzeiht bitte die Störung“, meinte sie sanft. „Man sagte mir, Ihr seid Frau Marie. Stimmt das? Ihr heißt doch Marie?“
    Die Frau nickte, und bevor sie etwas sagen konnte, wies Nicholas aufgeregt mit dem Arm auf einen flatternden Schmetterling, zog sie am Ärmel und bat, den Schmetterling zu fangen. Als sie sich zu ihm beugte, wurde ihr schlanker Hals unter dem Schleier und ein schwerer Knoten aus schwarzem, von Silberfäden durchzogenem Haar sichtbar. Mit einem heiteren Lächeln der Entschuldigung in Ebonys Richtung lief sie hinter dem Knaben her. Ihre großen grauen Augen unter halb verhangenen Lidern waren von dichten dunklen Wimpern bekränzt, in einem bleichen, von Falten durchzogenen Gesicht. Ihr Blick war schwermütig, der Blick einer Frau, die großes Leid erfahren hatte, unter dessen traumatischen Folgen sie noch immer litt. Weder ihre Augen noch ihre Haltung verrieten eine Spur von Interesse an der Begegnung mit der jungen fremden Frau, und zum zweiten Mal glaubte Ebony ein Trugbild zu sehen, sich in einem Traum zu befinden.
    Ein wenig ungelenk hüpfte der Junge durch die Wiese, zog die Frau hinter sich her, und Ebony blieb zurück in der unheimlichen und verwirrenden Vorstellung, sich selbst als Großmutter zu sehen, die mit ihrem Enkel auf einer sonnigen Blumenwiese Schmetterlinge fing. Sie versuchte etwas zu rufen, aber wie im Traum kam ihr kein Laut über die Lippen.
Komm zurück
, wollte sie rufen.
Bleib stehen! Ich bin hier. Schau mich an. Ich bin Ebony. Du musst mich doch erkennen.
Die Sonne blendete sie, ein seltsamer Schwindel befiel sie, die Figuren begannen zu verschwimmen. „Nein …“, flüsterte sie tonlos. „Kommt zurück … bitte! Ich suche jemanden …“
    Der Junge schlug plötzlich einen Haken, blieb jäh stehen und blickte gebannt einer hoch gewachsenen Männergestalt entgegen, die sich mit federnden Schritten näherte. „Papa!“ jubelte er. „Papa … da bist du endlich!“ Er riss sich von seiner Beschützerin los und rannte mit seltsamen Bewegungen zu seinem Vater, der ihm mit ausgebreiteten Armen entgegeneilte, während das helle Kinderlachen sich mit dem tiefen melodischen Männerlachen vermischte. Und dann wurde der Knirps hoch in die Luft geworfen und landete in den Armen seines Vaters, wo er sich an ihm festklammerte, so wie Sam es getan

Weitere Kostenlose Bücher