Verführung auf Burg Kells (German Edition)
aufwachsen? Was bedrückt Euch, Mylady? Ich spüre Euer Zögern. Habt Ihr Vorbehalte?“
„Wie soll ich Euch das erklären?“ sagte sie befangen.
„Ich bin Priester“, erwiderte er, „und wir sind allein. Ihr könnt mir getrost alles anvertrauen, was Euch quält. Vielleicht ist es das, was Euch am meisten fehlt, ein neutraler Zuhörer?“
„Ja, Vater. Vielleicht ist es das. Ihr kennt Sir Alex seit vielen Jahren. Ihr wisst, wie wichtig ihm sein Dienst für den König ist. Er und Master Hugh sind im Auftrag des Königs nach Castle Kells gekommen, hat er Euch davon erzählt?“
„Ja, das hat er, Mylady.“
„Nun, dann wisst Ihr, dass er sich kaum länger als eine Woche an einem Ort aufhält. Dieses Leben macht ihn nicht gerade zum Idealbild eines Vaters. Ich bin ziemlich sicher, er möchte, dass meine Mutter und Nicholas mit mir nach Castle Kells kommen. Sie würde ohne das Kind nicht von hier fortgehen. Wenn ich also meine Mutter überreden kann, bei mir zu leben, muss auch Nicholas zu mir kommen.“
„Hat Alex darüber mit Euch gesprochen?“
„Nicht so ausführlich, Vater.“
„Wohl aber mit mir.“
„Hat er auch davon gesprochen, dass Nicholas bei mir und Sam leben soll? Aber das ist genau meine Sorge, Vater. Ich werde den Eindruck nicht los, er setzt Nicholas und meine Mutter sozusagen als Druckmittel ein, um mich dazu zu bewegen, die Pflegschaft für seinen Sohn zu übernehmen. Versteht mich bitte nicht falsch, ich habe den Kleinen gern, und er braucht eine Mutter, aber das Ganze klingt mir verdächtig nach einem Handel.“ Dieses Gespräch hatte in mancher Hinsicht Ähnlichkeit mit einem Gespräch in der Vergangenheit, in dem sie einen anderen Handel mit Alex abgeschlossen hatte.
„Ihr sprecht davon, seine Stiefmutter zu werden, nehme ich an?“
„Nein, Vater. Verzeiht, aber das meine ich nicht. Es wurde nie über Heirat gesprochen, und selbst wenn, wäre eine Ehe mit Alex damit zu vergleichen, mit einem Schatten verheiratet zu sein, meint Ihr nicht auch? Heute hier, morgen dort. So stelle ich mir den Vater meiner Kinder nicht vor. Hinter mir liegen drei leidvolle Jahre als Witwe. Ich möchte Sam und Nick ein solches Schicksal ersparen.“
„Aber Ihr liebt ihn doch, oder?“
„Ja“, sagte sie und beobachtete eine Forelle, die dicht unter der silbrigen Wasseroberfläche reglos lauerte. „Ja, ich kann es nicht länger leugnen, ich liebe diesen Mann.“
„Offenbar habt Ihr Euch lange dagegen gesträubt. Aber warum?“
„Aus den Gründen, die ich Euch soeben genannt habe, Vater. Er ist der falsche Mann für mich. Und außerdem ich bin noch nicht bereit für eine neue Liebe.“
Abt William schmunzelte bei ihren Worten. „Meine Tochter“, sagte er väterlich. „Ich muss Euch auf einen Widerspruch aufmerksam machen, der Euch offenbar nicht bewusst ist. Wenn Ihr nicht bereit wäret, wieder zu lieben, hättet Ihr mir nicht gestanden, dass Ihr ihn liebt. Oder sehe ich das falsch? Die Liebe wartet nicht bescheiden und bittet um Erlaubnis, wann sie in Erscheinung treten darf, und es gibt auch keine festgesetzte Trauerzeit. Wir alle sind verschieden, und die Tiefe unserer Liebe für die Menschen, die wir verloren haben, ist kein zuverlässiger Leitfaden, fürchte ich. Wir haben keinen inneren Kalender, der unserem Herzen ein bestimmtes Datum vorschreibt, Mylady. Unsere Bedürfnisse und Gefühle sind einer höheren Macht unterworfen. Wie Ihr mir grade bestätigt habt, habt ihr das Bedürfnis, gebraucht zu werden.“
„Aber nicht als gelegentliche Geliebte und Pflegemutter“, widersprach sie. „Das reicht mir nicht, Vater. Und ich wünsche mir auch nicht eine Stube voller unehelicher Kinder. Verzeiht meine offene Rede.“
„Nur zu. Ich bin ein großer Freund von Aufrichtigkeit. Aber ich entnehme Euren Worten, dass Ihr Alex zu verstehen gegeben habt, für seinen Heiratsantrag noch nicht bereit zu sein, und dass Ihr Euch nicht zu diesem Schritt drängen lassen wollt. Könnte das der Grund sein, warum er Euch noch nicht gebeten hat, seine Frau zu werden? Weil er weiß, dass Ihr vor dem Schritt zurückschreckt?“
Sie nahmen auf einer sonnenwarmen Steinbank Platz, saßen nebeneinander wie Vater und Tochter. „Ich will mich nicht drängen lassen?“ fragte sie mit gefurchter Stirn. „Ich erinnere mich nicht, so etwas gesagt zu haben. Ich erinnere mich auch nicht, dass dieses Thema je angeschnitten worden wäre, Vater. Wann denn?“
„Kurz vor dem Nachtmahl, als Ihr davon gesprochen
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