Verfuehrung auf Italienisch
aber er schob die Tasche kommentarlos über den Tisch zu ihr. Dabei fielen ihr seine Hände auf. Schmale, kraftvolle Hände mit schlanken, gepflegten Fingern. Wie es wohl sein musste, von diesen Händen liebkost zu ... Abrupt brach sie den Gedanken ab. Sie konnte es sich nicht leisten, sich in solchen Spekulationen zu ergehen. Das war gefährlich. Guido Bartaldi war gefährlich. Sie überprüfte den Tascheninhalt und stellte fest, dass alles vorhanden war. Und dann fühlte sie ... "Moment mal!" Sie zog einen dicken Umschlag hervor. "Das gehört nicht mir."
"Öffnen Sie ihn."
In dem Umschlag steckten Banknoten, italienische Lire, in großen Scheinen, umgerechnet gut tausend britische Pfund. Sie hob den Blick. "Was soll das? Wollen Sie mir noch eine Falle stellen?"
"Aber nein. Nennen wir es einfach einen Ausdruck meines Bedauerns für die Unannehmlichkeiten, die Sie erleiden mussten."
"Natürlich", meinte sie ätzend, "das ist immer die einfachste Lösung für die Reichen. Geld.
Tut mir Leid, signore. Sie mögen die hiesige Polizei gekauft haben, aber meine Hilfsbereitschaft ist nicht käuflich."
Die Scheine waren ganz leicht zu zerreißen. Clare riss sie erst que r, dann längs und noch einmal quer durch, während Guido Bartaldi sie schweigend dabei beobachtete. Dann warf sie die Schnipsel in die Luft _ sicherlich das teuerste Konfetti der Welt. "Betrachten Sie die Schulden als annulliert, Marchese", und damit wandte sie sich zur Tür und ging würdevoll aus dem Raum. Halb erwartete sie, dass er sie gewaltsam zurückhalten würde. Wartete auf seinen Wutausbruch. Aber nichts geschah. Sie spürte nur diese absolute Stille in ihrem Rücken und musste sich zusammennehmen, um nicht loszurennen. Noch eine Tür, noch ein Büroraum, ein stolzes Nicken für die Polizeibeamten _ und dann stand sie endlich draußen im hellen Sonnenschein. Der kleine Fiat wartete auf sie auf dem Parkplatz der Polizeistation, und sie ließ sich wie betäubt auf den Fahrersitz gleiten. Für einen Moment starrte sie mit leeren Augen vor sich hin, dann legte sie den Kopf auf das Lenkrad und ließ den Tränen, die sich während der letzten Stunden vor Angst und Schock in ihr aufgestaut hatten, freien Lauf.
Als der Strom endlich versiegt war, schnäuzte sie sich ausgiebig und wenig damenhaft, zog ihren Lippenstift nach und startete den Motor. Es war Zeit, dass sie wieder mit ihrem Leben fortfuhr.
"Mia cara!" Violettas Stimme klang so weich, so mitfühlend. "Was für ein schrecklicher Albtraum! Aber jetzt erzähle mir erst einmal alles. Man hat dich tatsächlich ins Gefängnis gesteckt?" Sie saßen zusammen im salone.
Die Rolläden waren halb heruntergelassen, um die glühende Nachmittagssonne auszuschließen. Sie tranken Espresso, stark und süß, den Violetta zu jeder Tagesund Nachtzeit in rauen Massen verkonsumierte, und knabberten Mandelgebäck.
"Nun, nicht in eine Zelle", stellte Clare richtig. Die überschwängliche Wärme, mit der ihre Patin und Angelina, die Haushälterin, sie empfangen hatten, war Balsam auf ihre Wunden.
Und während sie in diesem wunderbaren, beruhigenden Raum saß und für die schreckliche Geschichte, die sie hatte durchmachen müssen, offene Ohren und Herzen fand, merkte sie, wie die Anspannung langsam von ihr abfiel und sie sich mehr und mehr entspannen konnte.
"Aber das Gefühl war das gleiche." Sie schüttelte sich bei der Erinnerung. "Ich wusste nicht ein noch aus. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Jetzt verstehe ich, wie man Leute zu einem Geständnis bringen kann, obwohl sie nichts verbrochen haben."
Eine tiefe Falte bildete sich auf ihrer Stirn. "Und dann dieser widerliche Guido Bartaldi."
"Nun", Violetta wedelte graziös mit einer Hand, "er ist ein sehr wichtiger Mann in dieser Region. Seine Familie ist schon seit dem quattrocento dort ansässig." Sie senkte verschwörerisch die Stimme. "Du weißt natürlich, wer er ist?"
"Er ist ein Marquis. Das hat man immer wieder betont."
"Nicht nur das." Violetta streckte die Hände vor und spreizte ihre Finger. "Selbst du, carissima, die an solchen Dingen kaum Interesse hat, müsstest schon von dem Juwelierhaus Bartaldi gehört haben." Langsam dämmerte es Clare. "Jetzt weiß ich auch, warum mir der Name so bekannt vorkam. Allerdings wäre ich nie darauf gekommen, dass sich ein Aristokrat dazu herablässt, als simpler Geschäftsmann zu arbeiten."
"Cara, das ist nicht nur ein simples Geschäft!" Violetta war über so viel Unwissenheit ehrlich entsetzt.
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